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Finanzärger im Berliner Senat: Widerstand gegen Sparbefehl

Finanzärger im Senat: Innensenatorin Spranger stellt sich gegen Sparvorgaben

Finanzpolitik ist zumeist eine eher abstrakte Angelegenheit, aber selbst hartgesottenen Buchhaltungsfans dürfte es inzwischen schwerfallen, den Volten der Berliner Finanzpolitik zu folgen. Zunächst versprach der schwarz-rote Senat, auf Kürzungen zu verzichten. Das Volumen des Doppelhaushalts 2024/2025 nahm sogar zu, und im Verlauf der Haushaltsverhandlungen ließ sich Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hinreißen, den Bezirken eine Finanzspritze zu gewähren, die deren prekäre Lage stabilisieren soll.

Doch schon kurz nach dem Beschluss des Doppelhaushalts im vergangenen Monat folgen jetzt Signale, die deutlich anders klingen: In einem Rundschreiben, das die Senatsverwaltungen kurz vor Jahreswechsel erreichte, fordert Finanzsenator Evers die elf Senatsverwaltungen auf, bis Ende Februar konkrete Pläne vorzulegen, wie die laufenden Ausgaben um 5,9 Prozent gekürzt werden können. Insgesamt geht es um etwa 1,7 Milliarden Euro, die nun doch eingespart werden sollen. Evers macht mit dem Schreiben auch pauschale Sparvorgaben, die für alle Ressorts gelten: So soll auf Neuanmietung von Räumen verzichtet werden, und Auszubildende mit schlechten Abschlussnoten sollen nicht mehr automatisch übernommen werden. »Ich zähle auf jeden Einzelnen von Ihnen«, heißt es in dem Brief.

Tatsächlich liegt dem zunächst widersprüchlich wirkenden Vorgehen ein haushälterisch nicht unübliches Verfahren zugrunde: Das Parlament veranschlagt zunächst höhere Ausgaben, überlässt es der Regierung aber, die Überausgaben flexibel in Abhängigkeit von Einnahmesituation und Bedarf des Tagesgeschäfts zu kürzen. Diese sogenannten Pauschalen Minderausgaben belaufen sich auf insgesamt etwa 4 Milliarden Euro für 2024 und 2025.

Dass gekürzt werden muss, war also durchaus bei Beschluss des Doppelhaushalts klar. Dem Vernehmen nach überraschend kam für die Senatsverwaltungen aber, dass die Kürzungen so schnell festgelegt werden sollen. In vielen Häusern war man davon ausgegangen, dass die Pauschalen Minderausgaben im Verlauf des Jahres abgetragen werden können. Finanzsenator Evers will aber schon im Februar Listen mit kürzbaren Ausgabenposten und nimmt damit auch die Steuerschätzung im Mai vorweg, die die Einnahmesituation noch zum Positiven wie zum Negativen wenden könnte.

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Der seit Jahresbeginn in manchen Senatsverwaltungen grummelnde Protest hat nun eine Senatorin gefunden, die ihn öffentlich macht: »Eine pauschale Minderausgabe wird in einem Ressort erst dann bewertet, wenn man weiß, wo und ob noch Sparpotenzial vorhanden ist«, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Mittwoch gegenüber dem »Tagesspiegel«. »Wenn man das unmittelbar nach der Verabschiedung eines Haushalts machen soll, hätten wir den Haushalt erst gar nicht beschließen müssen.« Die Debatte sollte nach Sprangers Ansicht daher erst Ende 2024 geführt werden.

Es ist nicht nur die Plötzlichkeit der Sparvorgaben, die die meinungsstarke Senatorin empört. Nicht zu Unrecht sieht die Innensenatorin ein Versprechen gebrochen: Noch im Dezember hatte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner gesagt, dass es in den Bereichen Innere Sicherheit und Bildung nicht zu Kürzungen kommen soll. Im Brief des Finanzsenators wird nun aber von allen Senatsverwaltungen ein pauschaler Kürzungsbedarf von sechs Prozent verlangt. Für die Innenverwaltung bedeutet das einen Fehlbetrag von 180 Millionen Euro. Für sie als Innensenatorin habe die Sicherheit der Berliner Priorität. Kürzen möchte Spranger daher am liebsten gar nicht: »Es darf bei den Berliner Sicherheitsbehörden nicht gespart werden, weder bei der Ausstattung noch beim Personal.«

Mit Spannung wird die Debatte auch in den Bezirken verfolgt. Die Bezirke können keine eigenen Einnahmen generieren und sind finanziell zu 100 Prozent vom Senat abhängig. Für viele bezirkliche Aufgaben sind die Kosten allerdings deutlich gestiegen, sodass befürchtet wird, dass auch der im Verlauf der Haushaltsverhandlungen bereits angestiegene Zuschuss nicht ausreichen wird. Von den nun von der Finanzverwaltung ausgegebenen Sparvorgaben sind die Bezirke allerdings ausgenommen. CDU und SPD hatten sich in einem gemeinsamen Beschluss darauf geeinigt, »aufgrund des besonderen Stellenwerts der Bezirke für den sozialen Zusammenhalt« auf pauschale Sparvorgaben zu verzichten.

Ohne Konsequenzen werden die Sparvorgaben aber auch für die Bezirke nicht bleiben. »Mittelbar sind wir natürlich betroffen«, heißt es aus einem Bezirksamt. Denn an vielen Stellen greifen Bezirks- und von Landesseite verantwortete Institutionen eng ineinander. Wird an einer Stelle gekürzt, macht es sich schnell auch bei der anderen bemerkbar.

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