- Kommentare
- Ukraine-Krieg
Selenskyjs »Friedensformel«: Mit Alchemie zum Frieden
Daniel Säwert zum Ukraine-Treffen in Davos
Über Jahrhunderte suchten die Alchemisten des Mittelalters nach der Formel, die unedle Stoffe in edle Stoffe verwandeln würde. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Den Krieg, den Russland mit seiner Invasion im Februar vor zwei Jahren in der Ukraine entfacht hat, will er mit einer Formel bannen. Den Weg zurück zum Frieden, so ist Selenskyj überzeugt, hat er bereits gefunden. Nun müssen Partner und Weltöffentlichkeit nur noch davon überzeugt werden, dass es der einzig mögliche ist.
Russland, so sieht es Selenskyjs »Friedensformel« vor, müsse sich nur aus den besetzten Gebieten der Ukraine zurückziehen und in Form von Haftstrafen für seine Verantwortungsträger und mit milliardenschweren Reparationen für den Überfall bezahlen. Diese Bedingungen für Gespräche mit Moskau hat Kiew bereits auf drei Konferenzen präsentiert, in Davos folgte nun die vierte.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Doch auch die wird kein Wunder herbeiführen. Denn die seit Monaten unverändert beibehaltene »Friedensformel« ist in Bezug auf eine wichtige Variable unrealistisch. Ohne einen Deal mit Moskau geht es nicht, wie der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis gleich zu Beginn des Treffens anmerkte. Auch China und die BRICS-Staaten würde er gerne mit am Vergandlungstisch sehen. Der Konsens für den Frieden soll so breit wie möglich sein.
Selenskyj aber scheint nicht bereit, seine Formel (und seine Gesprächspartner) den Realitäten anzupassen: Er setzt weiter auf einen Siegfrieden. Und das obwohl die großangekündigte Gegenoffensive mit massiven Verlusten für die eigene Armee gescheitert ist. Ein Sieg gegen die Invasoren auf dem Schlachtfeld scheint aktuell unrealistisch.
Die Alchemisten haben die Formel fürs Goldmachen nie gefunden. Und auch Kiews wird nicht zum Frieden führen, sondern den Krieg nur verlängern.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.