Berliner Fernwärme: Milliardengeschäft mit vielen Unbekannten

Fernwärme kostet 1,6 Milliarden Euro, Investitionsbedarf unklar

Die Rekommunalisierung des Berliner Fernwärmenetzes nimmt Form an. Die Kaufverhandlungen mit Vattenfall wurden abgeschlossen, wie Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) und Finanzsenator Stefan Evers (CDU) am Dienstag bei der Pressekonferenz nach der Senatssitzung bekanntgaben. Dem Kaufvertrag muss nun noch das Abgeordnetenhaus zustimmen. Die Abstimmung ist für März angesetzt. Am 2. Mai diesen Jahres sollen die Geschäfte offiziell übergeben werden.

Giffey sprach vom »größten Rekommunalisierungsgeschäft dieser Legislatur«. Bei einem »Kaufpreiskorridor« von 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro für das Unternehmen mit etwa 2000 Beschäftigten, das etwa ein Drittel der Berliner Wohnungen mit Fernwärme versorgt, dürfte sie damit durchaus recht behalten. Dabei ist das Land Berlin vergleichsweise billig davongekommen: Ursprünglich hatte der bisherige Eigentümer Vattenfall drei bis vier Milliarden Euro verlangt. »Auch in der Fachszene waren viele von dem Verhandlungserfolg überrascht«, sagte Giffey.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Der niedrige Kaufpreis deutet allerdings auch darauf hin, dass der Investitionsbedarf in den veralteten Anlagen offenbar größer ist als zunächst angenommen. Im Verlauf der Verhandlungen sei ein »realistisches Bild der Unternehmenssituation« entstanden, so Finanzsenator Evers. Dass der Senat auch nach dem Kauf noch viel Geld in das Fernwärmenetz wird stecken müsssen, war von vornherein klar. Ein Großteil der Anlagen wird mit Erdgas oder Öl betrieben, die das Land durch klimafreundlichere Energieträger wie Biomasse oder Wasserstoff ersetzen will.

Müssen die neu gekauften Anlagen also ohnehin ausgetauscht werden? »Die Transformation muss so oder so erfolgen«, entgegnete Evers entsprechenden Vorwürfen. »Mir ist es lieber, wenn sie unter Hoheit des Landes erfolgt und nicht ohne unsere Kontrolle durch Dritte.« Die Preise für die Endverbraucher sollen dabei möglichst stabil bleiben. »Wir wollen nicht, dass nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung vorgegangen wird«, ergänzte Giffey. Neben den Transformationskosten muss das bislang in den europaweit agierenden Vattenfall-Konzern integrierte Fernwärmenetz zudem autark gemacht werden.

Schätzungen, wie hoch der Investitionsbedarf ausfallen wird, existieren zwar – Summen wollten die Senatorin und der Senator aber nicht nennen. Denn das würde Geschäftsgeheimnisse von Vattenfall berühren. »Vieles wird vertraulich bleiben«, sagte Evers. Auch die Abgeordneten werden die Details des Deals nur in einem speziellen Schutzraum des Abgeordnetenhauses abrufen können, bevor sie über den Ankauf abstimmen.

Parallel zu dem Fernwärme-Ankauf will der Senat auch die Vattenfall-Beteiligung an der Gasag übernehmen. Der Senat würde damit die Mehrheit der Anteile an dem regionalen Energieversorger halten. Das Ziel sei, »Wasser, Strom und Wärme in Landeshand« zu führen, so Giffey. Um die Deals zu ermöglichen, soll nun das Haushaltsgesetz geändert werden, um 975 Millionen Euro für die Fernwärme-Rekommunalisierung bereitzustellen. Das Klima-Sondervermögen könne für die Investition nicht genutzt werden, weil bis Mai die Klärung der verfassungsrechtlichen Gültigkeit noch nicht abgeschlosssen sei, so Giffey.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal