- Politik
- Bundestag
Sei ein Mensch! Marcel Reif berührt mit seiner Rede am Gedenktag
Der Sportreporter rührt bei der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus Abgeordnete und Gäste zu Tränen
Als Marcel Reif am Mittwoch seine Rede bei der Holocaust-Gedenkstunde des Bundestags beendete, klang die Stimme des Profi-Moderators brüchig: »Sei ein Mensch!« Diesen prägenden Satz seines jüdischen Vaters gab er den Abgeordneten des Bundestages und ihren Gästen mit auf den Weg. Die ebenso einfache wie tiefsinnige Maxime des Shoah-Überlebenden Leon Reif passt in vielen Lebenslagen – als Mahnung, als Warnung, als Ratschlag oder auch als Tadel: »Sei ein Mensch!«
Der 1949 in Wałbrzych (Polen) geborene Marcel Reif dankte in seiner Rede seinem Vater auch für sein kluges Schweigen: Großeltern, Onkel, Tanten waren von den Mitmenschen ermordet worden, doch Leon Reif verlor kein Wort darüber gegenüber Marcel und den Geschwistern. Nicht in Wałbrzych, nicht in Israel, wohin die Familie 1956 emigrierte und auch nicht in Kaiserslautern, wo sich die Familie 1957 schließlich ansiedelte. Die Reif-Kinder wuchsen im Glück auf. Ohne die Last, in jedem Nachbarn einen Täter zu erahnen.
Marcel Reif wurde Politik-Journalist beim ZDF. Als er dort 1984 den erhofften Posten des London-Korrespondenten nicht bekam, ging er beleidigt zum ZDF-Sport und wurde zum beliebtesten Sportreporter des Landes. Wegen seiner Klugheit lag ihm das Feuilleton zu Füßen, manchmal »kritiklos«, wie er einmal dem »Spiegel« verriet: »Wenn ich da nach einem schönen Angriff ›Ui, ui, ui!‹ rief, klopfte mir jeder am nächsten Tag auf die Schulter.«
1994 ging er zu RTL, von 1999 bis 2016 arbeitete er für Sky, heute sieht man den 74-Jährigen regelmäßig bei Bild-TV. Er ist zwar seit 2013 Schweizer Staatsbürger, aber er zählt noch immer zu den bekanntesten Fernsehgesichtern Deutschlands. Seit Mittwoch meint man ihn noch besser zu kennen: den Menschen Marcel Reif.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.