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Haushaltsdebatte: Parteien im Vorwahlkampf

In der Generalaussprache zum Haushalt 2024 lieferten sich Kanzler und Oppositionsführer einen Schlagabtausch

Die Schuldenbremse war auch am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt ein Thema – auch innerhalb der Ampel-Koalition. So schulmeisterte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Es gehe nicht an, dass der »liebe Rolf« wieder und wieder die Reform des Neuverschuldungsverbots im Grundgesetz fordere, nachdem die Treue dazu im Koalitionsvertrag festgelegt worden sei. Zudem, da ist sich Djir-Saraj sicher, sei die Schuldenbremse keineswegs eine Investitionsbremse.

Damit widersprach er den »Wirtschaftsweisen«, die erst einen Tag zuvor genau dies konstatiert – und eben eine Reform der »Bremse«, zumindest eine Heraufsetzung des Wertes von nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für neue Staatskredite pro Jahr, gefordert hatten. Während der Debatte sprachen sich unter anderem auch Wiebke Esdar (SPD) und andere Abgeordnete von SPD und Grünen für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Sahra Wagenknecht erwähnte das Thema in ihrer Rede nicht. Sie nutzte ihre Redezeit für eine allgemeine Darstellung der Unfähigkeit der Koalition. Deren Arbeit erinnere an die Zustände im »Dschungelcamp«, nur dass, anders als in der Fernsehshow, das Publikum nicht die Möglichkeit habe, in jeder Folge den Unfähigsten rauszuschmeißen.

Vor den »einfachen« Abgeordneten hatten sich allerdings Bundeskanzler Olaf Scholz und Unionsfraktionschef Friedrich Merz einen auffällig derben Schlagabtausch geliefert, der wie die anderen Debattenbeiträge einen Vorgeschmack auf die anstehenden Auseinandersetzungen im Superwahljahr 2024 boten.

Merz schloss als erster Redner eine weitere Zusammenarbeit mit der Ampel-Koalition weitgehend aus. Die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre hätten gezeigt, dass die Koalition an einer wirklichen Zusammenarbeit nicht ernsthaft interessiert sei. Scholz wies die Vorwürfe zurück und hob wichtige Weichenstellungen der Regierung in den Bereichen Wirtschaft, Arbeit und Migration hervor. Besonders wetterte Merz gegen die Erhöhung des Bürgergeldes. Die SPD nannte er deswegen eine »Partei der subventionierten Arbeitslosigkeit«. Einmal mehr warf er der Ampel vor, sie bekomme »die Flüchtlingskrise nicht in den Griff«. Deshalb sei sie mitverantwortlich für den Aufstieg der AfD.

Scholz wiederum verwies darauf, dass die Bundesrepublik den »höchsten Beschäftigungsstand« in seiner Geschichte habe. Auch im Kampf gegen den Fachkräftemangel und im Umgang mit der Migration habe die Regierung entscheidende Weichen gestellt. Ursache vieler Probleme sei es, dass unter den CDU-geführten Vorgängerregierungen eine zukunftsfähige Aufstellung von Wirtschaft und Industrie versäumt worden sei. Die aktuelle Bundesregierung, so der Kanzler, habe »dafür gesorgt, dass sich Arbeit in Deutschland endlich wieder lohnt«. Als Beispiele nannte er die Erhöhung des Mindestlohns sowie die Gesetze zu Fachkräfteeinwanderung und Chancen-Aufenthaltsrecht.

Im Umgang mit »irregulärer Migration« seien gemeinsam mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder »sehr weitreichende Entscheidungen getroffen« worden, sagte der Kanzler weiter. Er verwies auf Maßnahmen für kürzere Asylverfahren, die schnellere Digitalisierung der Ausländerbehörden und die geplante Einführung von Bezahlkarten für Geflüchtete. Hinzu komme ein »intensivierter Schutz unserer Außengrenzen«.

Scholz ging seinen Kontrahenten Merz auch direkt an und warf ihm »Hasenfüßigkeit« und mangelnde Kooperationsfähigkeit vor. Merz teile jeden Tag gegen die Bundesregierung aus, sagte der SPD-Politiker.

Linke-Politiker Bartsch erinnerte derweil an die »katastrophale« Situation im Lande infolge der Politik der Ampel. Das Bruttoinlandsprodukt sei 2023 um 0,3 Prozent zurückgegangen und gehe weiter zurück. Die Inflation habe im Durchschnitt des vergangenen Jahres bei fast sechs Prozent gelegen. Die SPD, die nun auf die Verantwortung der CDU für liegengebliebene Aufgaben verweise, könne sich so nicht aus der Affäre ziehen, so Bartsch: »In den letzten 26 Jahren haben Sie 22 Mitverantwortung in Regierungen getragen.«

Mit dem Haushalt 2023 lege die Ampel eine »Belastungsorgie für die Mehrheit im Lande vor« und verteuere deren ohnehin teuren Alltag. Es sei die Unwahrheit, wenn etwa den protestierenden Bauern gesagt werde, jeder müsse seinen Beitrag zum Sparen leisten in diesen Zeiten, und wenn behauptet werde, die Steuern würden nicht steigen. Während den Landwirten in diesem Jahr 176 Millionen Euro bei der Agrardieselverbilligung weggenommen würden, kaufe die Regierung für mehr als 200 Millionen neue Helikopter und gebe eine Milliarde für die bauliche Erweiterung des Kanzleramts aus. Die Mehrkosten für neue Beamtenstellen beliefen sich zugleich auf sieben Milliarden Euro. Bartschs Fazit: »Die Bundesregierung ist unter der Ampel zu einem Selbstbedienungsladen verkommen.«

Finanzminister Christian Lindner sei derweil zum »Vermögensverwalter des Geldadels« geworden. Die Superreichen erhielten die meisten Subventionen. Allein die Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer machten 4,5 Milliarden Euro aus, so Bartsch.

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