FDP auf Crashkurs in Brüssel

Die Liberalen blockieren das EU-Lieferkettengesetz und schaden damit der Glaubwürdigkeit Deutschlands, meint Miriam Saage-Maaß

  • Miriam Saage-Maaß
  • Lesedauer: 3 Min.

Wir kennen das Spiel aus der deutschen Ampel-Koalition: Es gibt ein Problem, ob nun die Energiewende, das Bürgergeld oder die Kindergrundsicherung, die drei Regierungsparteien verhandeln einen Kompromiss und am Ende ist die FDP dagegen. Was bereits in Berlin nur noch nervt, ist jetzt auch in Brüssel angekommen. Deutschland ist noch immer eine führende politische Kraft in Europa. Aber wie lange noch, muss man mittlerweile fragen, wenn die FDP sich in Brüssel derart rabiat neoliberal und wie aus der Zeit gefallen aufführt.

Allen Ernstes wollen die deutschen Liberalen im Jahr 2024 eine Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten kippen. Die FDP möchte tatsächlich eine Richtlinie aufweichen, nach der Unternehmen für inhumane und ausbeuterische Arbeitsbedingungen zivilrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Die FDP findet es auch nicht gut, dass es eine besondere unternehmerische Sorgfaltspflicht mit Blick auf den Klimawandel geben soll.

Dieser Crashkurs der FDP, das EU-Lieferkettengesetz nach jahrelangen Verhandlungen nun zu Fall zu bringen, ist besonders schmerzlich, wenn man bedenkt, dass Deutschland in der Vergangenheit versuchte, eine Vorreiterrolle in Sachen Nachhaltigkeit und Menschenrechte im europäischen Wirtschaftsraum einzunehmen. Anstatt »Lieferketten resilienter zu machen und einen regelbasierten Handel voranzubringen«, wie Yasmin Fahami, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und viele deutsche und europäische Unternehmen es fordern, macht die FDP ihrem Ruf als neoliberale Steinzeit-Partei alle Ehre – auf Kosten der Verlässlichkeit der deutschen Regierung, aber in erster Linie auf Kosten der Menschenrechte in der Weltwirtschaft.

Miriam Saage-Maaß

Dr. Miriam Saage-Maaß ist Juristin und Legal Director beim European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Sie schreibt regelmäßig zum Thema der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen in der globalen Lieferkette und wird international als Expertin für das Thema Unternehmensverantwortung und Menschenrechte konsultiert.

Deutschland ist mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes ein echter Vorreiter. Die Idee, ähnliche Regularien auf ganz Europa auszuweiten, ist ein logischer Folgeschritt. Schließlich würde die Harmonisierung der Gesetze in der gesamten EU gleiche Bedingungen für die auf dem europäischen Markt tätigen Unternehmen schaffen. Das deutsche Lieferkettengesetz wurde sogar zu einer Blaupause für den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission. Und Deutschland verhandelt seither mit anderen Mitgliedstaaten über das Regelwerk. In diesen Verhandlungen konnte Deutschland bei allen Bedenken vernünftige Kompromisse finden. Jetzt, wo die FDP die Verabschiedung sabotiert, indem sie die Bundesregierung zur Enthaltung zwingt, haben allein die großen deutschen Wirtschaftsverbände gesiegt, die seit Monaten gegen das Lieferkettengesetz mobil machen.

Diese neueste europäische Kehrtwende der Liberalen erinnert fatal an das Veto von Bundesverkehrsminister Wissing gegen das Aus für den Verbrennungsmotor 2035. Dass die Bundesregierung damals auf den letzten Metern die politische Vereinbarung der EU aufgekündigt hatte, gilt bis heute als beispielloser Schritt und hat dem Ruf Deutschlands immens geschadet. Das Zögern der Regierung, sowohl das EU-Lieferkettengesetz als auch die vorgeschlagene Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten zu unterstützen, wird das deutsche Image dauerhaft beschädigen und die Position Deutschlands auf EU-Ebene untergraben. Der FDP ist das alles ganz offenbar egal. Die Liberalen reden lieber den großen deutschen Arbeitgeberverbänden nach dem Mund.

Hintergrund

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat seinen Widerstand gegen die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie mit den aus seiner Sicht drohenden unzumutbaren Belastungen für die deutsche Wirtschaft begründet. »Der Schutz der Menschenrechte gehört zum Selbstverständnis der EU«, sagte Buschmann am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Daher unterstütze er uneingeschränkt das von der Richtlinie verfolgte Ziel, einen besseren Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherzustellen. Dieses Ziel dürfe aber nicht zu einer »Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts« führen, betonte er.

Buschmann sagte: »Es braucht Lösungen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern, die Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb nicht durch noch mehr Bürokratie lähmen.« Ihm sei es wichtig gewesen, bis zuletzt zu verhandeln, um dann im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen, ob das Ergebnis tragbar ist. Am Ende sei er dann aber zu dem Schluss gekommen: »Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche Wirtschaft überwiegen.«

Das Bundesministerium der Justiz könne das Trilog-Ergebnis daher nicht mittragen. »Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine »nein«-Stimme wirkt«, sagte der FDP-Politiker. Im EU-Rat steht noch eine finale Abstimmung im Kreis der EU-Staaten an. dpa/nd

Um die Glaubwürdigkeit der Regierungskoalition zu wahren, sollte Bundeskanzler Olaf Scholz zumindest dieses eine Mal vernehmlich auf den Tisch hauen und die deutsche Haltung zum EU-Lieferkettengesetz und zur Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten verdeutlichen. Die Ampel muss ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und ihren Ruf in der europäischen Politik stärken, insbesondere wenn es um Menschenrechte und Umweltstandards geht – und die FDP sollte endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Denn das deutsche Lieferkettengesetz, auf dem die neue EU-Richtlinie basiert, ist eines der politischen Glanzstücke der Ampel-Koalition.

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