Rassismus in Berlin: Angriffe auf Geflüchtete nehmen zu

Polizei verzeichnet leichten Anstieg, Moabit Hilft geht von hoher Dunkelziffer aus

32 Angriffe auf Geflüchtete verzeichnet die Berliner Polizei für 2023. Damit steigt die Anzahl im Vergleich zu den beiden Vorjahren leicht an (2022: 27, 2021: 31). Und sie könnte noch weiter steigen: Die Sicherheitsbehörde geht davon aus, dass die Fallzahlen »noch nicht das gesamte Fallaufkommen« für 2023 darstellen.

Das geht aus der Antwort auf eine schriftliche Anfrage des Berliner Linke-Abgeordneten Niklas Schrader hervor. Demnach zählt die Polizei von 2019 bis 2023 insgesamt 191 Angriffe. Dabei handelt es sich vor allem um Vorwürfe der Beleidigung und der Volksverhetzung, bei einigen Fällen geht es jedoch auch um Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung. Ein Verdacht auf schwere Brandstiftung findet sich ebenfalls in der Statistik.

Was Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte betrifft, meldet die Polizei für 2023 vorläufig keine Vorfälle. Seit 2019 sind ihr insgesamt 16 derartige Angriffe bekannt. Bei einem Großteil dieser Vorfälle handelt es sich um den Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen sowie der Volksverhetzung.

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34 066 Geflüchtete leben aktuell in Berlins Unterbringungen. Darunter fallen Asylbewerber*innen, Geflüchtete aus der Ukraine sowie Menschen, die trotz eines positiven Asylbescheides keine Wohnung finden und deshalb nicht ausziehen können. Auf die Frage, wie Unterkünfte vor Angriffen durch Rechtsextreme geschützt werden, nennt die Innenverwaltung insbesondere die Kooperation mit Polizei und privaten Sicherheitsdienstleistern, »die in der Regel rund um die Uhr im Einsatz sind«. Geflüchtete könnten sich außerdem vertraulich an die Berliner unabhängige Beschwerdestelle wenden.

Diana Henniges von der Geflüchtetenorganisation Moabit Hilft hält nicht viel von den Security-Diensten. Die schlecht bezahlten Angestellten ohne sozialarbeiterische Kenntnisse würden vielmehr Rassismus reproduzieren und die Geflüchteten gefährden, so die Sprecherin zu »nd«. Sie erinnert an die Angriffe auf kurdische Geflüchtete im Ankunftszentrum Tegel im November 2032, an denen wohl auch Sicherheitspersonal beteiligt war. »Wir fragen immer: Wen schützen die Securities? Warum investiert man nicht lieber in ausgebildete Fachkräfte?«

Die Zahlen aus der polizeilichen Meldestatistik hält Henniges für viel zu niedrig. Geflüchtete, die den Verein zur Rechts- oder Sozialberatung aufsuchten oder sich innerhalb der Gruppe engagierten, erzählten jeden Tag von schockierenden Erlebnissen: »Da bekommt einer an der U-Bahnstation gesagt: Ich steig vor dir in die Bahn, ich bin Deutscher. Oder im Restaurant: Ich will einen deutschen Kellner«, erzählt Henniges.

Kürzlich habe jemand einer jungen Mutter Cola in den Kinderwagen geschüttet, ein junger Mann sei im Monbijoupark angegriffen worden. »Dieses Ausmaß habe ich in den letzten zehn Jahren nicht erlebt.« Doch aus Angst vor negativen Konsequenzen in ihren Antragsverfahren gingen die Betroffenen nicht zur Polizei.

Für besonders gefährlich hält Henniges den Pankower Ortsteil Buch und Hellersdorf, wo die rechtsextreme Kleinpartei Der III. Weg aktiv ist. »Von dort hören wir immer wieder, dass Geflüchtete nachts nur noch zu zweit rausgehen.«

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