Vater von Hanau-Attentäter mit bizarrem Brief an Opferangehörige

Serpil Temiz Unvar hat Angst, dass Beleidigungen und Bedrohungen nie aufhören

Demonstration wenige Tage nach dem anschlag in Hanau.
Demonstration wenige Tage nach dem anschlag in Hanau.

Am kommenden Montag jährt sich das rassistische Attentat von Hanau zum vierten Mal. Der Attentäter hatte gezielt nach Migrant*innen gesucht und neun Menschen ermordet. Anschließend brachte er seine Mutter um und tötete sich selbst.

Die Angehörigen der Opfer werden seit der Tat vom Vater des Attentäters belästigt. Jüngst traf es Serpil Temiz Unvar. Ihr 23-jähriger Sohn Ferhat war bei dem Anschlag ermordet worden. Die »Frankfurter Rundschau« berichtet von einem bizarren Schreiben, das Serpil Temiz Unvar jüngst von Hans-Gerd R. erhalten hat. Der Vater des Attentäters bezeichnet dieses als »sechste Mahnung« und fordert von Unvar 3376 Euro Schadenersatz. Sie sei für Nachstellungen und Aufkleber an seinem »Herrschaftsgut« verantwortlich, die er habe beseitigen müssen. Die »Frankfurter Rundschau« vermutet, es könnten Aufkleber mit den Gesichtern der Opfer des Anschlags gemeint sein, mit denen an diese erinnert wird.

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Hans-Gerd R. führt in seinem Brief außerdem aus, dass er Vorkehrungen für sein »Ableben« getroffen habe. Die Forderungen aus dem Mahnschreiben würden dann an eine »Institution« abgetreten, die ihren Sitz an seiner Adresse habe. Serpil Temiz Unvar ist beunruhigt. Der »Frankfurter Rundschau« erzählte sie, dass ihr das Schreiben wieder Angst gemacht habe. Es zeige, dass er »keine Ruhe gebe und gefährlich werden könnte«.

In den vergangenen Monaten war es nach den Angaben von Unvar ruhig geworden. Davor hatte Hans-Gerd R. die Angehörigen immer wieder belästigt. Rassismus spielt dabei offenbar eine große Rolle. So hatte er Unvar in einem früheren Schreiben aufgefordert auszureisen.

Auch in ihrem Wohnumfeld belästigt Hans-Gerd R. die Angehörigen. Vor Unvars Haus stellte er sich mit seinem Schäferhund auf. Auch hier stieß er rassistische Beleidigungen aus. Deswegen ist ein Kontakt- und Näherungsverbot ausgesprochen worden, das auch Briefe und andere Kommunikationswege beinhaltet.

Verwunderlich ist das alles nicht. Hans-Gerd R. teilte das von Rassismus und Verschwörungserzählungen geprägte Weltbild seines Sohnes schon zu dessen Lebzeiten. Heute ist er davon überzeugt, dass sowohl sein Sohn als auch seine Frau von einem Geheimdienst ermordet wurden. Vor anderthalb Wochen durchsuchte die Polizei sein Haus nach Waffen, wurde aber nicht fündig. In den kommenden Monaten soll wegen zahlreicher Delikte vor dem Amtsgericht Hanau gegen R. verhandelt werden. Auch eine psychiatrische Begutachtung soll dann erfolgen.

Antifaschistische und antirassistische Gruppen im ganzen Land erinnern am kommenden Wochenende an den Anschlag. Auch in Hanau ist eine Demonstration geplant.

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