Berlin: Sanieren gegen die Klimakrise

Berliner Immobilienmanagement gibt Ausblick auf 2024

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 4 Min.

Schadstoffe in der Bausubstanz sind ein immer wieder aufkommendes Problem bei der Sanierung bestehender Gebäude. Eine Immobilie, bei der ein solches Hindernis aufgeploppt ist, ist das Haus der Statistik am Alexanderplatz. In das mit 250 Millionen Euro derzeit teuerste Projekt der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) sollen unter anderem das Finanzamt Mitte, das Rathaus Mitte und auch die BIM selbst einziehen. Nun wurden entgegen aller Erwartung Schadstoffe im Bestand gefunden.

In einer Trennfuge zwischen zwei Gebäudeteilen seien Asbest und andere gesundheitsschädliche Chemikalien entdeckt worden, so die BIM. »Das war für uns an dieser Stelle überraschend«, erklärte BIM-Geschäftsführerin Birgit Möhring vor Pressevertretern am Dienstag. Bisheriger Wissensstand aus Bauarchiven sei gewesen, dass derartige Stoffe dort eigentlich nicht verwendet worden seien. Das sei nur aufgefallen, weil an der Stelle ein Treppenhaus gebaut werden müsse. Die Schadstoffsanierung im Gebäude war eigentlich schon längst abgeschlossen.

»Um diese Schadstoffe wegzukriegen, müsste das Gebäude abgerissen werden«, so Möhring weiter. Das aber soll nicht passieren. Stattdessen plant die BIM, die Trennfuge mit Spezialfolie zu isolieren, damit das Gift nicht den Rest des Gebäudes verpesten kann. Das aber kostet Zeit und Geld. Möhring rechnet mindestens mit einem zweistelligen Millionbetrag, mehrere Monate werde die Sanierung voraussichtlich länger dauern. Eigentlich sollte das Finanzamt Mitte schon Ende 2024 einziehen, die BIM ihre neuen Büroflächen Anfang 2025 beziehen.

Durch die Verzögerung geraten auch andere Baustellen auf dem Gelände in Verzug. Flächen, auf denen in Zukunft 280 Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte entstehen sollen, sind im Moment noch wegen der Baustelle am Haus der Statistik belegt. Erst wenn diese Bauarbeiten abgeschlossen werden, kann auch mit dem Bau der Wohnungen begonnen werden. Dass Bauprojekte länger dauern, ist ja kein reines Sanierungsproblem, auch Neubauprojekte verzögern sich bekanntermaßen regelmäßig.

Ob bestehende Gebäude abgerissen oder saniert werden, wird von Fall zu Fall heiß diskutiert. Die BIM stand zuletzt in der Kritik, weil sie den gefassten Plan umsetzte, das Gebäude an der Urania 4-10 abzureißen (»nd« berichtete). »Dass es die Diskussion gibt, ist gut«, erklärte Möhring dazu. Aber wenn eine Entscheidung getroffen worden sei, dann müsse man sie auch umsetzen, ergänzte sie. Es sei eine wegen der hohen Schadstoffbelastung getroffene betriebswirtschaftliche Entscheidung gewesen, die schon 2017 getroffen wurde. Darüber hinaus könne nun, ohne das alte Gebäude, die Grundstücksauslastung erhöht werden. Das bedeutet, dass mehr Wohnungen gebaut werden können. Aber: »Das ist keine grundsätzliche Frage. Wenn wir Gebäude haben, in denen es baulich Sinn macht, werden wir sanieren.«

»Die Bim tut sich leider nicht als zupackende Partner*in für eine soziale Stadtentwicklung hervor, weder bei sozialen Nutzungskonzepten, noch bei Bürger*innenbeteiligung«, meint Katalin Gennburg, baupolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus im Gespräch mit »nd«. Es sei ein Unding, bestehende Gebäude, die für eine Umnutzung prädestiniert sind, abzureißen. »Die Bim agiert leider zu oft wie ein Immobilienverwertungsunternehmen, das nach Finanzmarktkriterien und nicht dem Gemeinwohl entsprechend handelt«, so Gennburg weiter. Auch vor dem Hintergrund, dass Zement für ein Drittel aller Treibhausemissionen verantwortlich sei, fordert die Linke-Politikerin ein generelles Abrissverbot, ihr Partei die Vermeidung von Abrissen.

Die Argumente für solche Schritte sind vielfältig. Nach Angaben der Initiative Abrissmoratorium entstehen in Deutschland jedes Jahr 230 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle, was mehr als die Hälfte des gesamten deutschen Abfalls ausmacht. »Sanieren ist in der Regel nachhaltiger«, meint auch Carmen Schultze, Pressesprecherin von BUND Berlin. Bauen setze viel mehr CO2 frei.

Beim Angehen der Klimakrise geht es aber nicht immer um ganze Gebäude, sondern auch um kleinere Schritte. Die BIM versucht, Schwammstadtkonzepte in ihren Gebäuden umzusetzen. Dazu sollen verschiedene kleinteilige Maßnahmen sowohl im Bau als auch in der Sanierung beitragen, beispielsweise soll durch die Entsiegelung von Flächen einerseits Regenwasser versickern; andererseits soll Regenwasser durch Maßnahmen wie Dachbegrünung oder den Bau von Zisternen gespeichert werden. »Wir wollen klimaneutral werden«, erklärte Möhring. Aber das koste Geld.

Ein Beispiel für die Umsetzung eines solchen Projekts ist an der Württembergischen Straße 6 zu sehen. Der Sitz der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Charlottenburg wurde seit 2019 aufwändig für 158 Millionen Euro saniert, Mitte 2024 kann die Verwaltung das Gebäude wieder beziehen. Regenwasser wird dort in einer Zisterne gesammelt und soll zur Bewässerung des direkt benachbarten Preußenparks dienen.

Bei vielen der mehr als 5000 Gebäude, die die BIM verwaltet, stellt sich die Frage nach Abriss ohnehin nicht. Saniert werden muss aber viel: In den bestehenden Gebäuden besteht wie in den vergangenen Jahren auch ein erheblicher Stau an zu erledigenden Maßnahmen: Mit einem Sanierungsfahrplan müssten 7,4 Milliarden Euro investiert werden. Ein Großteil sei allein für eine energetische Sanierung notwendig, erklärte Möhring. Man hoffe, dass dafür Geld aus dem Klima-Sondervermögen bereitgestellt werde.

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