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Mehr Knete im Knast

Gefangene sollen höhere Löhne bekommen

  • David Rojas Kienzle
  • Lesedauer: 3 Min.

Mindestlohn? Nicht in Berliner Knästen. Aber immerhin werden die mageren Löhne, die Gefangene für ihre Arbeit hinter Gittern bekommen, wohl erhöht. Das kündigte Esther Uleer (CDU), Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz, am Mittwoch im Justizausschuss an. Nach der Sommerpause soll eine Gesetzesvorlage erstellt werden.

Ganz freiwillig passiert das nicht. Im Sommer hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Entlohnungsregeln für Gefangene verfassungswidrig sind, weil sie nicht mit dem Resozialisierungsgebot vereinbar seien. Zwar wurde die Klage von zwei Gefangenen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen geführt, die Regelungen im Berliner Strafvollzugsgesetz weisen aber die gleichen Probleme auf. Die 66,5 Prozent der Berliner Gefangenen, die arbeiten, bekommen zwischen 1,77 Euro und 2,81 Euro pro Stunde, wie die Senatsverwaltung für Justiz auf Anfrage mitteilte. Die Berechnungsgrundlage dieses Eckvergütung genannten Lohns ist der Durchschnittsverdienst der regulär Beschäftigten, von dem Gefangene 9 Prozent erhalten.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte sich eine Arbeitsgruppe der Länder gebildet, um Reformvorschläge zu erarbeiten. Einer der von der Senatsverwaltung vorgestellten Punkte ist die Erhöhung der Eckvergütung von 9 auf 15 Prozent. Das würde eine Erhöhung des an Gefangene ausgezahlten Lohns um gut 50 Prozent bedeuten, in der Gehaltsstufe drei für Gefangene, die für 38,6 Prozent der Gefangenen gilt, beispielsweise von 2,29 auf 3,40 Euro pro Stunde.

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Gleichzeitig soll die Anzahl der bei durchgehender Arbeit möglichen Freistellungstage von acht auf zwölf pro Jahr erhöht werden. Diese Tage können entweder freigenommen oder bis zum Ende der Haftzeit »aufgespart« und dann zu einer früheren Entlassung genutzt werden. Die angedachten Maßnahmen »erscheinen geeignet, den Gefangenen den Wert der Arbeit vor Augen zu führen«, so Staatssekretärin Uleer.

Ob das ausreiche, könne man noch nicht sagen, meint Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus im Gespräch mit »nd«. »Das sind bisher nur Eckpunkte ohne Beteiligung von Verbänden.« Schlüsselburg kritisiert, dass die Senatsverwaltung das Thema nicht selbst auf die Tagesordnung gesetzt habe, sondern nur auf Antrag von Grünen und Linke. »Wir haben eine materiell verfassungswidrige Gesetzeslage auch in Berlin. Das ist ein Zustand, den wir dringend abstellen müssen. Ich erwarte, dass die Senatsverwaltung mit Hochdruck an einem Gesetzentwurf arbeitet.«

»Wenn eine solche Erhöhung kommt, dann ist das eine Farce«, meint Manuel Matzke, Sprecher der Gefangenengewerkschaft GG/BO. Gefangene sollten von dem Geld beispielsweise Unterhalt zahlen oder Opfer entschädigen, so Matzke weiter. »Damit gebe ich den Menschen nicht das Werkzeug in die Hand, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen.« Das Verfassungsgericht habe ja nicht ausgeschlossen, dass der gesetzliche Mindestlohn als Referenz genommen wird. Die GG/BO fordere eine Erhöhung auf den gesetzlichen Mindestlohn.

Darüber hinaus beklagt Matzke, dass zentrale Themen nicht angegangen werden, etwa dass Gefangene nicht renten- oder sozialversicherungspflichtig arbeiten. BMW, Gardena und zahlreiche andere Unternehmen würden seit Jahrzehnten im Gefängnis produzieren lassen. »Arbeit im Knast ist Ausbeutung. Das System Gefängnis stellt der freien Wirtschaft eine sozialabgabenfreie Reservearmee zur Verfügung«, so Matzke.

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