Magnetismus der dritten Art

Variante magnetischer Eigenschaften erstmals experimentell nachgewiesen

  • Ilka Petermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Im altermagnetischen Kristall wechseln die Richtungen des Spins sowie die Atomformen.
Im altermagnetischen Kristall wechseln die Richtungen des Spins sowie die Atomformen.

Schon vor rund 2000 Jahren merkte und wunderte man sich, dass selbst Steine manchmal durchaus anhänglich sein können. So berichtet Plinius der Ältere von einem Hirten, dessen Schuhnägel an bestimmten Orten vom Erdboden regelrecht angezogen wurden. Vermutlich handelte es sich dabei um das heute als Magnetit bekannte Eisenerz, das in der Region natürlich vorkommt und einen starken Magnetismus zeigt.

Doch während die Wirkung der Magnete leicht zu beobachten war und sie etwa als Kompass ganz wegweisende Nutzung fanden, war die Ursache des Phänomens lange unklar.

Erst mit dem Einzug der Quantenmechanik ließ sich die »Attraktivität« erklären. So zeigte sich, dass der Magnetismus eines Festkörpers auf die Eigenschaften seiner Atome zurückgeführt werden kann: Jedes Elektron hat einen »Spin«, den man sich in etwa wie den klassischen Drehimpuls vorstellen kann, der jedoch eine quantenmechanische Eigenschaft des Teilchens ist. Der Spin bewirkt ein Magnetfeld, sodass jedes Elektron als ein kleiner Elementarmagnet wirkt. In einem Festkörper liegen die Atome nun in regelmäßiger oder kristalliner Ordnung vor und die Elementarmagnete richten sich am Kristallgitter aus: Liegen alle parallel und zeigen in die gleiche Richtung, summieren sich ihre kleinen Magnetfelder zu einem großen – und der Festkörper erscheint »ferromagnetisch«.

Ohne externes Magnetfeld

Bekannte ferromagnetische Materialien sind neben dem namensgebenden elementaren Eisen (lat. Ferrum) etwa auch Nickel, Neodym und zahlreiche Verbindungen. Anwendungen für Ferromagnete gibt es reichlich – vom kleinen Magneten an der Kühlschranktür über Bauteile in Elektromotoren bis hin zu magnetischen Datenspeichern. Bei Festplattenlaufwerken etwa wird die Beschichtung der Festplatte solcherart magnetisiert, dass die Informationen über das »Magnetisierungsmuster« gespeichert und später, durch Abtasten der Magnetisierung, wieder ausgelesen werden können. Jeder Datenpunkt entspricht dabei einem kleinen Magneten – was die Speicherdichte begrenzt, da sich die Magnetfelder nicht gegenseitig stören dürfen.

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Etwas individualistischer kommt eine andere Gruppe daher: die Antiferromagneten, die erstmals in den 1930ern von Louis Néel beschrieben wurden. Hier richten sich benachbarte Elementarmagnete zwar auch parallel aus – sie zeigen jedoch immer abwechselnd in die entgegengesetzte Richtung. Die magnetischen Momente heben sich somit auf und es resultiert kein externes Magnetfeld. Energetisch günstiger und damit auch stabiler tritt der Antiferromagnetismus in der Natur weitaus häufiger auf als der Ferromagnetismus. Besonders viele Elemente aus der Gruppe der Übergangsmetalle, zum Beispiel Chrom und Mangan und deren Oxide, zeigen diese Eigenschaft. Da Antiferromagnete kein makroskopisches Magnetfeld aufbauen, besteht die Möglichkeit, dass die Materialen etwa die Dichte von Magnetspeichern deutlich erhöhen könnten – was jedoch Gegenstand noch fortwährender Forschung ist.

Verbindung bekannter Eigenschaften

Nun ist es Wissenschaftlern gelungen, eine dritte Variante des Magnetismus experimentell nachzuweisen, die bereits vor einigen Jahren theoretisch vorhergesagt worden war. Das »Altermagnetismus« genannte Phänomen verbindet demnach Eigenschaften sowohl der Ferro- als auch der Antiferromagneten. So richten sich die Elementarmagnete zwar – ganz antiferromagnetisch – entgegengesetzt aus, doch könnten sich diesmal zusätzlich auch die Atome im Kristall solcherart und immer abwechselnd ausrichten, dass ein durchfließender Strom ähnliche Wirkungen erfährt wie es bei Ferromagneten der Fall ist. Das könnte den Altermagnetismus daher auch für elektronische Anwendungen ausgesprochen interessant machen.

Den theoretischen Arbeiten nach wäre der Altermagnetismus wahrscheinlich noch nicht einmal besonders selten: Mehr als 200 Verbindungen wurden als Kandidaten für den Effekt ausfindig gemacht. Nur der experimentelle Nachweis gestaltete sich bisher schwierig.

In einem sogenannten »Photonenemissionsexperiment« an Mangantellurid, das kein externes Magnetfeld zeigt, wurden die Physiker nun fündig. In dem Experiment wird ein Material solcherart mit Laserlicht bestrahlt, dass die Photonen ein Elektron aus seiner Bindung herausschlagen können. Die anschließende Vermessung der Elektronen erlaubt es, auf ihre Spins zu schließen und damit auf die Ordnungsstruktur des Materials. So ließ sich nachweisen, dass die Verbindung sowohl Charakteristika eines Ferro- als auch eines Antiferromagneten zeigt. Als erster Altermagnet zieht sie nun das Interesse von Wissenschaft und Technik auf sich.

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