Eine Woche vor Ostern: Auftakt der Ostermärsche in Potsdam

Am Brandenburger Tor in Potsdam reden der BSW-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko und Wolfram Adolphi (Linke)

Mahnwachen für den Frieden gibt es irgendwo in Deutschland alle Tage. Doch der erste Ostermarsch des Jahres, den das Netzwerk Friedenskooperative in seinem Terminkalender verzeichnet, findet am 23. März in Potsdam statt. Das ist keine Überraschung. Denn in dieser Stadt gibt es den Ostermarsch traditionell schon am Wochenende vor Ostern, damit die Teilnehmer auch zum Berliner Ostermarsch fahren können. Früher wollte man insbesondere dem Ostermarsch in der Kyritz-Ruppiner Heide keine Konkurrenz machen.

So komme es, dass der Potsdamer Ostermarsch der Auftakt zu den bundesweiten Ostermärschen sei, erklärt Michael Meixner, Sprecher der Friedenskoordination Potsdam (Friko). Die Friko gründete sich 1999, als die Nato Restjugoslawien angriff. In Potsdam fühlt die Friedensbewegung eine besondere Verantwortung. Schließlich hatte 1945 von hier aus US-Präsident Harry S. Truman den Abwurf von Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki angeordnet. Heutzutage sehen manche die Gefahr, dass sich der Krieg in der Ukraine zu einem Dritten Weltkrieg ausweitet und in eine atomare Vernichtung der Erde mündet.

Im vergangenen Jahr waren trotz Regen 350 Menschen zum Potsdamer Ostermarsch gekommen. Das seien gut 150 mehr gewesen als in den Jahren zuvor, sagt Meixner. Den bevorstehenden Ostermarsch hat er nach eigener Auskunft für 300 Teilnehmer bei deBei einem der Ostermärrsche im vergangenen Jahr Polizei angemeldet. Bei der Auftaktkundgebung am 23. März um 15 Uhr am Brandenburger Tor in Potsdam soll der China-Experte Wolfram Adolphi sprechen – obwohl sich der Kreisverband der Linken im vergangenen Jahr aus der Friedenskoordination verabschiedete. Es war seit 2021 zu einer Entfremdung gekommen. Besiegelt wurde die Trennung dann am 9. Februar 2023 durch einen einstimmigen Beschluss des Kreisvorstands.

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Der Vorwurf der Linken: Bei Veranstaltungen der Friko sei es immer wieder zu problematischen Aussagen gekommen. So sei die Corona-Pandemie geleugnet, dem serbischen Präsidenten und Kriegsverbrecher Slobodan Milošević (1941-2006) Repekt gezollt und Solidarität mit dem belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko bekundet worden. Außerdem gebe es Kräfte, die vom Frieden sprechen, aber die russische Attacke auf die Ukraine von Februar 2022 »leugnen, relativieren und legitimieren«.

Auch vor dem diesjährigen Ostermarsch ist es zu keiner Wiederannäherung gekommen. Der Kreisvorstand habe zwar auf seiner Sitzung am 7. März ausführlich über das Thema gesprochen, aber dazu keinen neuen Beschluss gefasst, berichtet Kreisgeschäftsführer Steffen Lehnert. Es habe dazu aber auch keinen Antrag gegeben, über den der Vorstand hätte abstimmen können. Lehnert ist noch wichtig zu bemerken, dass Wolfram Adolphi zwar Mitglied der Potsdamer Linken sei, aber auf dem Ostermarsch nicht für den Kreisverband spreche.

Adolphi ficht das nicht an. »Ich bin von 1971 bis 1975 am DDR-Institut für internationale Beziehungen in Potsdam-Babelsberg als Diplomat für Frieden, Entspannung und Abrüstung ausgebildet worden, habe bis 1989 unter anderem in Paris, Peking und Tokio beruflich genau in diesem Sinne gearbeitet und mich seither immer wieder in ebenfalls genau diesem Sinne öffentlich geäußert«, erinnert Adolphi. Dass der Kreisvorstand seiner Partei damit nichts anfangen könne, bedauere er sehr. Aber er fühle sich den Bürgern der Stadt Potsdam und seinen 15 Enkelinnen und Enkeln verpflichtet, für einen sofortigen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und Abrüstung einzutreten, sagt der 73-Jährige.

Dass der von der Linken zur neuen Wagenknecht-Partei BSW gewechselte Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko gegen 17 Uhr bei der Abschlusskundgebung des Ostermarschs am Brandenburger Tor sprechen soll, stört Adolphi keinesfalls. »Mit Andrej Hunko habe ich seit langem friedenspolitisch übereinstimmende Positionen. Ich freue mich, dass er nach Potsdam kommt«, erklärt Adolphi. »Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich in Gegnerschaft zu BSW-Mitgliedern zu ergehen.«

Es ist auch nicht so, dass Adolphi als Linker beim Ostermarsch allein wäre. Die vor einigen Wochen gegründete Arbeitsgemeinschaft Frieden des Kreisverbandes unterstützt den Aufruf. »Auf lange Sicht gelingt eine friedliche Welt nur mit Russland und China«, heißt es darin. Gefordert werden eine Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine und in Nahost, ein Stopp sämtlicher Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, der Abzug aller Atomwaffen aus Europa, die Aufhebung der gegen Russland verhängten Sanktionen und der Verzicht auf eine Wiedereinführung der in Deutschland ausgesetzten Wehrpflicht. Investiert werden soll nicht in Rüstung und Militär, sondern in Bildung, Soziales, Gesundheit, Pflege und Infrastruktur.

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