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Rotes Meer: Schifffahrt unter Beschuss

Immer mehr Meeresgebiete werden zu Risikozonen für Container-Reedereien

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Containerschiff von Hapag-Lloyd auf der Elbe bei Hamburg
Containerschiff von Hapag-Lloyd auf der Elbe bei Hamburg

Hohe Frachtraten während der Pandemie hatten der Schifffahrt ein blendendes Geschäft beschert. Doch der Corona-Boom ist vorbei. Während Hapag-Lloyd 2022 einen exorbitanten Gewinn von 17,4 Milliarden Euro einfuhr, halbierte sich der Umsatz der größten deutschen Reederei im vergangenen Jahr, und der Überschuss betrug mit 2,5 Milliarden Euro nur noch ein Siebtel. Das Geschäft bewege sich wieder auf Normalmaß, sagte Vorstandsvorsitzender Rolf Habben Jansen während der Jahrespressekonferenz in Hamburg am Donnerstag. Immerhin: »Wir haben das drittbeste Konzernergebnis in der Geschichte unseres Unternehmens erzielt.« Den Auftakt ins neue Jahr bezeichnete Jansen als »solide«.

Die Schifffahrt sieht sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die durch Kriege und Konflikte verursacht werden, klagt der Verband Deutscher Reeder (VDR). Weite Teile des Schwarzen Meeres blieben durch den Angriff Russlands gegen die Ukraine Kriegs- und Risikogebiet – und damit für die Schifffahrt eine Gefahrenzone. Darüber hinaus nähmen die Spannungen zwischen China und Taiwan und im Südchinesischen Meer weiter zu. »Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen sind beunruhigend«, warnte VDR-Präsidentin Gaby Bornheim in dieser Woche. Deutschland wickelt rund 60 Prozent seines Im- und Exports über den Seeweg ab. Insgesamt besitzen deutsche Reedereien mit 1700 Frachtern die siebtgrößte Handelsflotte der Welt, bei der Containerschifffahrt ist man weltweit sogar führend.

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Beunruhigend findet Bornheim derzeit besonders den Konflikt in Nahost. Der Seeweg durch das Rote Meer und den Suezkanal, eine der wichtigsten Handelsrouten weltweit, sei durch den Beschuss der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Handelsschiffe »nicht sicher«. Bei einem Angriff auf den unter der Flagge von Barbados fahrenden Frachter »True Confidence« hatte es Anfang März erstmals drei Tote und mehrere verletzte Seeleute gegeben. Insgesamt sollen in den vergangenen vier Monaten über 50 hauptsächlich Containerschiffe beschossen worden sein, darunter ein deutsches. Die Reeder sind laut Bornheim »sehr, sehr froh«, dass sich die Deutsche Marine im Roten Meer an einer internationalen Militärmission beteiligt.

Hapag-Lloyd meidet wie andere Reedereien nun die Bab-al-Mandap-Straße, die teilweise in Sichtweite der von den Huthis kontrollierten Region ins Rote Meer führt. Das bedeutet einen Umweg von rund 6000 Kilometern und Mehrkosten im siebenstelligen Bereich. Die längere Route bringt höhere CO2-Emissionen und eine große Verzögerung von etwa zwei Wochen mit sich. Um ihren Linienverkehr aufrechtzuerhalten, benötigen Reedereien daher auch mehr Schiffsraum. Hapag-Lloyd-Chef Jansen beziffert die zusätzlich benötigte Kapazität auf fünf bis neun Prozent der Weltflotte. Da dafür nicht genügend Schiffsraum zur Verfügung steht, lässt nicht allein Hapag-Lloyd seine Flotte schneller fahren.

Der Reederverband, der im ständigen Kontakt mit der Militärmission steht, sieht bislang »keine Entspannung«. Auf den Weltmeeren hat sich aber die neue Normalität eingespielt, heißt es aus dem Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). »Die Frachtraten für den Transport eines Standardcontainers von China nach Nordeuropa, dessen Weg bislang üblicherweise durch den Suezkanal führte, stabilisieren sich.« Seit dem Höhepunkt von knapp 6000 US-Dollar pro Standardcontainer Mitte Januar sinkt der Preis kontinuierlich und liegt aktuell bei rund 4500 US-Dollar. Auch die Folgen für die Häfen der Nordsee mildern sich. Zunächst hatte die abrupte Unterbrechung der üblichen Seeroute zu Verzögerungen bei den ankommenden Schiffen geführt.

Die Verbraucher werden davon so oder so nichts spüren. Die Mehrkosten machen angesichts von beispielsweise 30 000 T-Shirts, die in einem Container transportiert werden, nur einen Centbetrag aus, so der DRV. Dass weder das Rote Meer noch die kriselnde deutsche Wirtschaft der Nabel der Weltwirtschaft sind, verdeutlicht das monatliche Handelsbarometer der Welthandelsorganisation: Es zeigt im März »einen leichten Aufschwung«.

Hapag-Lloyd-Chef Jansen geht für 2024 insgesamt von einem Ergebnisrückgang aus. Zunächst dürfen sich jedoch die Aktionäre, darunter die Stadt Hamburg, aber auch Staatsfonds aus Katar und Saudi-Arabien, über eine üppige Dividende freuen. Vorstand und Aufsichtsrat wollen 1,6 Milliarden Euro des Gewinns dafür verwenden. Das wäre die dritthöchste Ausschüttung in der Geschichte der 1970 gegründeten Hapag-Lloyd AG.

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