Sisyphos trifft Ikarus

In Glashütte und Stendal eröffnen Ronald-Paris-Ausstellungen

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Ronald Paris: Sisyphos trifft Ikarus

Vor knapp drei Jahren ist Ronald Paris, einer der bedeutendsten Maler und Grafiker der DDR und der Nachwendezeit, im Alter von 88 Jahren in seinem Heimatort Rangsdorf bei Berlin verstorben. Er war ein Garant für künstlerische Wahrhaftigkeit, Beständigkeit und dennoch immer wieder von bewundernswerter Innovativkraft. Wichtige Teilstücke seines so umfangreichen Lebenswerkes werden jetzt in zwei Ausstellungen gezeigt.

Farblich erfüllte mediterrane Landschaften, Bilder aus Kuba, aber auch monochromer gehaltene Studien von der Küste Irlands oder das Thema Stierkampf von Ende der 90er Jahre sind in Glashütte zu sehen. Ronald Paris experimentierte mal mit symbolischer Abstraktion und Verhärtung der Form, dann wieder mit raumbezogener Statuarik oder flutenden Bildräumen und Raumverschränkungen. Die sinnliche Auslegung der Farbe führte ihn ebenso zu dramatischen Farbklängen und glutvoller Bewegtheit wie zu gefühlvollen milden Valeurs.

Nicht so sehr die topografischen Bedingungen hatte Ronald Paris im Auge, sondern die atmosphärische Wirkung, durch die die bizarre Landschaft zusammengebunden wird, die Licht- und Schattenverhältnisse, die vibrierenden Lufttöne. Das Ich des Künstlers ist eingeflossen in das stoffliche Panorama seiner Entwürfe. Das bei Picasso zeitlebens beliebte Stierkampf-Thema, dessen Symbolkraft dieser nutzte, um große Lebensthemen wie Krieg, Eros und Tod darzustellen, hat auch Paris als kultisch pulsierendes Spiel zwischen Leben und Tod beschäftigt.

Mit den Landschaften des Mittelmeerraumes begab sich Paris gleichzeitig in die Welt der Antike, und der Rückgriff auf archetypische Situationen, die Einbeziehung mythologischer Themen und Motive ließ Sinnvergleiche mit unserer Gegenwart zu. Der Beziehung beider Themen – mediterrane Landschaften und antike Mythenwelt – widmet sich das Winckelmann-Museum in Stendal ab dem 23. März. Paris hat Ödipus Tyrann oder Prometheus, den Empörer, (nach Texten von Heiner Müller) ins Bild gesetzt, Odysseus und die Sirenen, Apollo und die Schindung des Marsyas (nach einer Novelle von Franz Fühmann), das Paradigma der Einmischung von Macht in die Kunst und umgekehrt der Kunst in die Macht. Er lässt den resignierenden Sisyphos auf den grenzüberschreitenden Ikarus treffen und erprobt so Wirkungsmöglichkeiten für die Gegenwart.

In ihrer metaphorischen Erfindung stehen seine Figuren im Spannungsgefüge von Hoffnung, Pathos, Martyrium oder Tod. Der Maler ließ die Gewalttätigkeit zu sich langsam bewegenden oder vollkommen statischen Formen gerinnen, oder er drückte sie durch steife, verlängerte Formen aus, die aus der Bildebene herausspringen, oder durch die übertriebenen Kreuz- und Querverbindungen zwischen Vorder- und Hintergrund, die seinen Szenen ein klaustrophobisch zusammengepresstes Aussehen geben. Das sind Angebote an den Betrachter, die so, aber auch ganz anders angenommen werden können.

»Ausblicke und Einblicke. Ronald Paris: Malerei«, Eröffnung am 17. März um 15 Uhr, bis 2. Juni, Packschuppen Glashütte;
»Ronald Paris – Ein Leben mit Mythen und Landschaften«, Eröffnung am 23. März um 15 Uhr, bis 26. Mai, Winckelmann-Museum Stendal.

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