Jugoslawien-Krieg: Fünfundsiebzig mörderische Tage

Vor 25 Jahren begann die Nato ihren völkerrechtswidrigen Angriff auf Jugoslawien

  • Ulrich Schneider
  • Lesedauer: 3 Min.

Der erste Angriffskrieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von der Nato geführt. Am 24. März 1999 begannen Streitkräfte der westlichen Militärallianz, ohne UN-Mandat, Jugoslawien zu bombardieren. Es war zugleich der erste Kriegseinsatz der deutschen Bundeswehr seit 1945. Als Vorwand dienten blutig ausgebrochene ethnische Konflikte bei der Separation der verschiedenen Bundesstaaten und Regionen der früheren föderativen Republik Jugoslawien. Unter aktiver Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland ist die Abspaltung Sloweniens und Kroatiens betrieben worden, später Bosnien-Herzegowinas und weiterer Teilrepubliken. Zu einem besonderen Konfliktraum wurde die serbische Provinz Kosovo, wo westliche Staaten die albanische UÇK unterstützten, die unter anderem Terroranschläge auf serbische Polizeistationen verübten.

Im Sommer 1998 wurde Kosovo von einem gnadenlosen Bürgerkrieg zerrüttet, die OSZE bemühte sich um einen Waffenstillstand. Die USA drängten auf ein militärisches Eingreifen, während die Europäer im Februar 1999 noch einmal zu Verhandlungen nach Paris zwischen Vertretern der jugoslawischen Zentralregierung und der albanischen UÇK einluden. Doch statt Gesprächen blockierte der albanische Verhandlungsführer Hashim Thaci, später »Präsident der Republik Kosovo«, jede Übereinkunft. US-Diplomat Richard Holbrooke forderte den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević daraufhin ultimativ auf, einer Unabhängigkeit Kosovos zuzustimmen. Als dieser sich weigerte, begann die Nato mit massiven Luftangriffen. Um den Krieg gegenüber dere eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen, behauptete die deutsche Bundesregierung, man habe einen »serbischen Vertreibungsplan« stoppen müssen. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) verkündete gar, man wolle »ein neues Auschwitz« verhindern. Veteranen des antifaschistischen Kampfes und Verfolgte des NS-Regimes protestierten.

Der Krieg gegen Jugoslawien dauerte 75 Tage. Es sollten angeblich »ausschließlich militärische Ziele« getroffen werden. Die Ruinen des staatlichen Fernsehsenders mitten in Belgrad, die noch heute zu sehen sind, bezeugen, dass die Zerstörung der staatlichen Infrastruktur durchaus gewollt war. Nato-Sprecherin Jamie Shea verkündete, dass auch »Kollateralschäden« in der Verantwortung von Präsident Milošević lägen, denn er habe sich dem Drängen der Nato widersetzt. Mitte April starben im Westen des Kosovo 73 Menschen, als Nato-Flugzeuge einen Flüchtlingszug bombardierten. In Erinnerung hierzulande dürfte noch der Luftangriff auf die Brücke bei Varvarin am 30. Mai 1999 sein. Angehörige der Opfer forderten Jahre später Schmerzensgeld von der Bundesrepublik, was von den deutschen Gerichten abgelehnt wurde.

Die militärische Übermacht der Nato war über zwei Monate nicht in der Lage, Jugoslawien militärisch in die Knie zu zwine. Der jugoslawischen Luftabwehr gelang es gar, einen »Tarnkappenbomber«, das damals modernste Kriegsgerät der Nato, abzuschießen. Der britische Premier Tony Blair erwog nun den Einsatz von Bodentruppen. Doch Anfang Juni 1999 entschied Belgrad zum Schutz der eigenen Bevölkerung, der Nato-Erpressung nachzugeben. Nato-Einheiten marschierten in Kosovo ein.

Die grausame Bilanz des Krieges: etwa 15 000 Opfer des Nato-Bombardements. Die ethnischen Konflikte sind bis heute nicht gelöst. Weder ist der völkerrechtliche Status der Provinz Kosovo international anerkannt, noch sind die Rechte der serbischen Bevölkerungsgruppe gesichert. Als Erkenntnis bleibt, dass das Selbstbestimmungsrecht von Menschen in einer Region nicht mit Militärgewalt durchgesetzt werden kann, sondern nur durch Verhandlungen und Verträge unter Verantwortung der Vereinten Nationen.

Der Historiker Dr. Ulrich Schneider ist Bundessprecher der VVN-BdA und Generalsekretär der Internationalen Föderation der Wiederstandskämpfer gegen das NS-Regime (FIR).

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