Daniel Dubbe: Meint er das ernst?

Ein alter Mann will auf den Putz hauen: Daniel Dubbes Prosaskizzen »Jugendfreunde«

  • Frank Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Platzhalter für die Kerle, die noch Kerle sind oder waren oder sein wollen: Kiezkneipe auf der Hamburger Reeperbahn
Ein Platzhalter für die Kerle, die noch Kerle sind oder waren oder sein wollen: Kiezkneipe auf der Hamburger Reeperbahn

Seine autofiktionale Hamburg-Tetralogie hatte Daniel Dubbe eigentlich schon 2014 abgeschlossen, mit dem schmalen Band »Der Salonfaschist und andere beste Freunde«, aber offenbar ist zu viel liegen geblieben. Und anscheinend waren auch noch einige Rechnungen offen.

In »Jugendfreunde« erinnert sich der Hamburger Schriftsteller, Jahrgang 1942, noch einmal an ehemalige Weggefährten, und da er alles, »was in meiner unmittelbaren Nähe groß gewesen war«, bereits abgehandelt hat, erfahren jetzt auch die vermeintlich »Kleinen Menschen« die Ehre, von ihm porträtiert zu werden. Herbert zum Beispiel, der kürzlich verstorbene Blockwart nebenan, der seine Frau geschlagen hat, wenn sie nicht mit ihm ins Bett wollte, und der dennoch mit Dubbes Verständnis rechnen darf. »Was sollte er denn machen? Er stammte eben aus der Zeit, als Kerle noch Kerle gewesen waren und keine Schlappschwänze. (Ich meine vor Einführung der Gynäkokratie.)«

Auch Dubbe stammt ganz offensichtlich aus dieser ganz anderen Zeit. Es gibt noch mehr solche Stellen, in denen man sich schlicht wundert und fragt, ob man Dubbes bisherige Werk so komplett missverstanden hat. Der moderate Sexismus und das Virilitäts-Getue seiner vorangegangenen Erinnerungsbücher schienen ironisch abgefedert, so als wollte er diesen Macho-Quatsch zwar miterzählen, weil man vielleicht mal so gedacht und geredet hat, gleichzeitig aber auch als etwas Obsoletes kennzeichnen.

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Diese Balance fehlt in »Jugendfreunde«. Wenn das Buch also kein ethisches Problem hat, dann hat es zumindest ein ästhetisches. Man bekommt nämlich nicht den Eindruck, dass der Autor sich wie auch immer augenzwinkernd von seinem Ich-Erzähler zu distanzieren versucht. Vielmehr scheint sich hier ein verstockter Incel auf der Zielgeraden noch einmal um Kopf und Kragen zu räsonieren.

An anderer Stelle lässt Dubbe einen ressentimentgetränkten islamophoben Sermon vom Stapel, der in einer absurd-misogynen Volte aufgeht. »Frauen sind besonders an Zuwanderung interessiert. Und unter ihnen am meisten die in mittlerem Alter. Für sie bieten die Zuwanderer eine – wie soll ich sagen – nicht zu vernachlässigende Auffrischung ihres Intimlebens. Die meisten autochthonen Männer sind vergeben oder zu unansehnlich geworden. Sie sehen einfach nur Scheiße aus, wie Durchschnittsdeutsche eben, eine erledigte Rasse … Zudem, und das zählt, sind die Zuwanderer sexuell besser motiviert als die vom vielen Hiersein völlig erschlafften Einheimischen. Wenn die Nutznießer der Willkommenskultur, also Zuwanderer, eine einheimische Schickse flachlegen, so erobern sie damit ein Stück Terrain. Und die älteren Frauen waren durchaus dankbar für die Art von intimer Landnahme. Besonders die Grünen und einige Linke fielen schier in Ohnmacht vor Migrantenliebe. Eine Statistik über die Zahl der Liebesaffären von Lobbyistinnen und Betreuerinnen jeglicher Couleur mit Asylbewerbern, sprich illegalen Einwanderern, würde Erstaunliches zutage fördern.«

Meint er das ernst? Dubbes migrationskritische Invektiven gehen aus von einer länglichen Nacherzählung der Dystopie »Unterwerfung«, in dem ihr Autor Michel Houellebecq die allmähliche Transformation der französischen Republik in ein diktatorisches Kalifat nach dem Vorbild des Iran imaginiert. Möglicherweise inszeniert sich Dubbe hier als so eine Art teutonischer Houellebecq 2.0, und diese Passagen sind satirische Rollenprosa. Man fragt sich nur, warum man eine solche Rolle einnehmen sollte?

Richtig unappetitlich wird es im dritten Kapitel, »Der rote Salon«. Da porträtiert er auf ziemlich uncharmante, unvorteilhafte Weise eine ehemals bekannte und erfolgreiche Hamburger Schriftstellerin, die hier unter dem Namen Lena Lemaître firmiert und deren echten Namen man lieber nicht wissen möchte. Dubbe erhofft sich offenbar Amouröses, lädt sie ein zum Abendessen, das er bezahlen darf, obwohl es ihr als Millionenerbin zustünde, und bekommt am Ende noch nicht einmal etwas dafür. Man weiß nicht, was man unerquicklicher finden soll, diese kleinkarierte, redundante Klage darüber, dass er stets zahlen muss, oder sein kaum verhohlener Ärger darüber, dass trotz seiner Investitionen die »Belohnungen« ausbleiben.

Schließlich gibt es Streit und die beiden beschimpfen sich brieflich. Dubbe behält natürlich das letzte Wort und zeigt es dem »Weibchen« noch einmal so richtig. Genau darum geht es hier. Und damit ist auch die grundsätzliche Schwäche dieses Buches benannt, die seine zweifellos vorhandenen Stärken überdeckt (nicht zuletzt die einfühlsamen Autorenporträts von Charles Bukowski, Carl Weissner oder Jürgen Ploog). Der Autor will noch einmal richtig auf den Putz hauen, einen echten Kerl markieren und verliert sich dabei in Selbstgerechtigkeit, Eitelkeit und Borniertheit.

Vor einiger Zeit gab es eine Bonsai-Debatte darüber, wie die früh verstorbenen taffen Jungs Jörg Fauser oder Rolf Dieter Brinkmann wohl heute schreiben würden. Manch einer wähnte sie genau dort, wo Dubbe jetzt angekommen ist.

Daniel Dubbe: Jugendfreunde. Dieser Hauch von Freiheit. Günther Emigs Literatur-Betrieb, 150 S., br., 18 €.

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