Cannabisfreigabe in Berlin: O’zündt is!

Hunderte feiern Entkriminalisierung von Cannabis

Manche Berliner werden sich an die würzig riechenden Rauchschwaden noch gewöhnen müssen.
Manche Berliner werden sich an die würzig riechenden Rauchschwaden noch gewöhnen müssen.

Das Hanf ist frei: Der ewige Kreuzberger Haschrebell Hans-Christian Ströbele (1939-2022) darf zwar nicht mehr miterleben, wie seine Forderung nach dem legalen Rausch für jedermann Realität wird, dafür kann die nachfolgende Generation von Hanffreunden die Cannabislegalisierung umso euphorischer feiern. Gleich 1500 von ihnen versammelten sich in der Nacht zu Montag vor dem Brandenburger Tor im Regierungsviertel, um vor der geschichtsträchtigen Kulisse das Inkrafttreten des Cannabisgesetzes zu feiern, mit dem die Bundesregierung das grüne Kraut legalisiert.

Um Punkt 0 Uhr zischten dann auch die Feuerzeuge und ein dünner Nebel umhüllte den Pariser Platz, als hunderte nun legale Joints entzündet wurden. Standesgemäß begleitete Reggae-Musik das vom Deutschen Hanfverband (DHV) angemeldete Kiff-In. Der charakteristisch würzige Duft war selbst noch in der angrenzenden U-Bahn-Station wahrnehmbar. DHV-Sprecher Henry Plottke sprach von einer »top Stimmung«. Die hielt allerdings nur kurz an, denn Marihuana macht bekanntermaßen müde: Gegen 0.40 Uhr löste sich die Veranstaltung bereits auf.

Auch an anderer Stelle feierten Cannabiskonsumenten, dass Blaulicht sie künftig nicht mehr nervös machen muss. An der Warschauer Brücke in Friedrichshain zündeten sich um 0 Uhr etwa 20 Personen verdächtig riechende Glimmstengel an. Die Hanffreunde verteilten auch rauchbares Material und Haschkekse an Passanten, die das Angebot bereitwillig annahmen. Ein Beschenkter fasste gegenüber dem »Tagesspiegel« die Situation zusammen – wobei unklar blieb, ob er sich auf die politische Lage oder seinen Körperzustand bezog: »Es ist einfach entspannter jetzt.«

Für Berliner Konsumenten ändert sich dabei gar nicht mal viel durch die Legalisierung. Schon bis jetzt wurde der Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis nicht strafrechtlich verfolgt – Eigenbedarf-Spitzenwert in der Bundesrepublik. Auf frischer Tat ertappte Kiffer mussten allerdings damit rechnen, dass die Polizei ihnen die Rauchware ab- und ein Verfahren aufnahm, das im Regelfall allerdings wieder eingestellt wurde.

Diese Bürokratieschleife ist nun unnötig. Erwachsene können bis zu 25 Gramm Cannabis mit sich führen und bis zu 50 Gramm in ihrer Wohnung lagern. Zudem dürfen bis zu drei Pflanzen auf Balkonen und Gärten angebaut werden. Verboten bleibt die Abgabe an Minderjährige, in deren Anwesenheit auch nicht gehascht werden darf.

In unmittelbarer Nähe von Schulen und Kindergärten darf ebenfalls nicht gebufft werden. »Unmittelbar« bedeutet in diesem Fall laut Cannabisgesetz 100 Meter. In der dicht besiedelten Innenstadt kann das zum Problem werden. Hier gibt es nur wenige Straßen, die sich außerhalb des 100-Meter-Radiuses um Schulen und Kindergärten befinden. Ob die Polizei hier pingelig sein wird, ist noch abzuwarten.

Wer sich rechtlich hundertprozentig sicher sein will, wird wohl ohnehin noch warten müssen, bis die selbst gepflanzten Hanfblüten geerntet werden können. Denn der Verkauf von Cannabis bleibt illegal. Ab Juni soll für Kiffer ohne grünen Daumen noch die Möglichkeit hinzukommen, Mitglied in einem sogenannten Anbauverein zu werden und darüber bis zu 25 Gramm Cannabis am Tag zu beziehen. In Berlin werben bereits jetzt mehrerer solcher Anbauvereinigungen um Mitglieder. Offenbar mit Erfolg: Gegenüber dem »RBB« gibt ein Anbauverein an, bereits mehrere hundert Mitglieder zu haben. Geklärt ist allerdings längst nicht alles. Die Innensenatsverwaltung prüft aktuell nach eigenen Angaben noch, welche Behörde künftig für die Genehmigung der Anbauvereine zuständig sein soll.

Der Linke-Abgeordnete Niklas Schrader nannte die Entkriminalisierung auf dem Portal Twitter »echt lange überfällig«. »Viele Regeln wie die Abstandsregelung sind aber ziemlich kompliziert«, setzte er allerdings nach. Dass der Konsum an einer Straßenseite verboten, auf der anderen aber erlaubt sein könne, sei »absurd«. Schrader befürchtet, dass vor allem jene Konsumenten einem hohen Kontrolldruck ausgesetzt sein könnten, die bereits von Racial Profiling betroffen seien. »Wir kämpfen weiter für eine liberale Umsetzung der Legalisierung«, so Schrader. Das Cannabisgesetz müsse im Sinne einer »einfachen und konsequenten Legalisierung« weiterentwickelt werden.

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