Berliner SPD vor Rechtswende

Hikel und Böcker-Giannini bei Mitgliedervotum auf Erfolgskurs

Kian Niroomand und Jana Bertels (links) sowie Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini (rechts) gemeinsam mit der Noch-Landesvorsitzenden Franziska Giffey (Mitte).
Kian Niroomand und Jana Bertels (links) sowie Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini (rechts) gemeinsam mit der Noch-Landesvorsitzenden Franziska Giffey (Mitte).

Die SPD muss noch mal ran: Weil bei dem Mitgliedervotum der Partei über den Landesvorsitz keines der antretenden Kandidatenpaare die absolute Mehrheit erringen konnte, wird die Partei in die Stichwahl gehen. Die dem rechten Flügel zugerechneten Kandidaten Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini holten 48,2 Prozent. Das linke Kandidatenduo Kian Niroomand und Jana Bertels kam auf 36,1 Prozent. Mit 47,6 Prozent fiel die Wahlbeteiligung unter den 18 000 Sozialdemokraten eher enttäuschend aus. Die Stichwahl soll nun vom 2. bis zum 17. Mai per Briefwahl stattfinden.

Einen klaren Sieger hat die Mitgliederbefragung also nicht hervorgebracht – dafür aber einen eindeutigen Verlierer. Auf gerade einmal 15,7 Prozent kommt Raed Saleh, der den Landesverband seit 2020 gemeinsam mit Franziska Giffey führt. Sicher ist damit schon jetzt, dass er dies künftig nicht mehr tun wird. Auch Salehs Rolle als Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus wird jetzt wohl zum Disput stehen. Bei der Verkündung des Ergebnisses trat er gar nicht erst vor die Presse, sondern erklärte schriftlich, er nehme das Ergebnis »voller Respekt und verantwortungsvoll« an. »Selbstverständlich ist dieses eindeutige Ergebnis für uns persönlich enttäuschend.«

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Der scheidende Vorsitzende überspannte sich bei einem politischen Spagat: Saleh, der nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar vergangenen Jahres die schwarz-rote Koalition vorangetrieben hatte, präsentierte sich im Wahlkampf als Parteilinker. Eine Linie, mit der er offenbar weder in dem einen noch im anderen Lager überzeugen konnte. Viele Sozialdemokraten kreiden ihm augenscheinlich den kontinuierlichen Abstieg der Hauptstadt-SPD an. Dazu kommt, dass der häufig ungelenk auftretende Saleh bei direkten Abstimmungen meist schlecht abschneidet. Schon als die Berliner Sozialdemokraten 2014 darüber abstimmten, wer Regierender Bürgermeister werden sollte, landete Saleh auf dem letzen Platz.

Aus Parteikreisen heißt es, Saleh sei im Vorfeld bei mehreren prominenten Sozialdemokratinnen mit dem Vorschlag einer gemeinsamen Kandidatur abgeblitzt. Gemeinsam mit ihm geschlagen geben durfte sich jetzt die Marzahn-Hellersdorfer Bezirksverordnete Luise Lehmann. Die 27-jährige promovierte Chirurgin konnte sich im parteiinternen Wahlkampf immerhin als Politiktalent bekannt machen.

Die Berlin-SPD steht nun vor einer Richtungsentscheidung. Beide verbleibenden Kandidatenpaare sind politisch klar positioniert. Mit einem eindeutigen Vorsprung starten die Parteirechten Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini in den Schlußspurt. Sie verpassten den Durchmarsch im ersten Wahlgang nur um 150 Stimmen.

Hikel und Böcker-Giannini haben sich als pragmatisches Duo positioniert, das sich auch über 2026 hinaus Bündnisse zwischen SPD und CDU vorstellen kann. Inhaltlich haben sie vor allem mit Angriffen auf die »Kostenlos-Stadt«, die sie in der bisherigen SPD-Landespolitik erkennen wollen, auf sich aufmerksam gemacht. Gemeint ist damit die Kostenfreiheit für Kitas sowie das 29-Euro-Ticket. Beides halten die Parteirechten für unnötig teure Politik nach Gießkannenmodell, die besser durch gezielte Angebote für Arme ersetzt werden sollte. Beim konservativen Koalitionspartner dürften solche Argumente auf Zuspruch treffen. Bei den Wählern dürfte eine Abkehr von diesen Positionen, die zu den wenigen SPD-Forderungen gehören, die in der Bevölkerung wirklich populär sind, wohl weniger Begeisterung auslösen.

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