Konservative Pädagogen

Der Deutsche Lehrerverband fordert mehr Kriegstüchtigkeit für Schüler

  • Guido Sprügel
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Jugendoffizier referiert in einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen.
Ein Jugendoffizier referiert in einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen.

Schülervertretungen wehrten sich über Jahrzehnte gegen die Präsenz des Militärs in Lehranstalten. Mit Parolen wie »Bundeswehr raus aus den Schulen« oder »Kein Werben fürs Sterben« wird seit den 70er Jahren dagegen protestiert. Die Truppe selbst hingegen feiert die Einführung der Informationsveranstaltungen mit »Jugendoffizieren« an Schulen vor rund 65 Jahren als Erfolg. »Im Einvernehmen mit den Kultusministerien der Länder leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur politischen Bildung«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Jugendoffiziere kommen an Schulen, um in Uniform mit den Schülern über »Sicherheitspolitik« zu sprechen – immer wieder begleitet von Protesten der Jugendlichen und der Bildungsgewerkschaften, die die Auftritte für unzulässige Bundeswehr-Werbung halten. Aller Gewerkschaften? Mitnichten. Während die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Einsatz der Jugendoffiziere stets kritisiert, erklärte ihn der Deutsche Lehrerverband (DL) jüngst zu einer »sinnvollen Unterstützung« im Unterricht.

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Die Vertreter der Streitkräfte seien »vertrauenswürdige Absender, um für die Schüler eine Kriegsbedrohung einzuordnen«, sagte DL-Präsident Stefan Düll kürzlich der »Bild am Sonntag«. Es habe viel zu lange eine »Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung« geherrscht, die aber mit dem seit mehr als zwei Jahren andauernden Ukraine-Krieg zu Ende gegangen sei. Auch die Vorbereitung auf Krisen und einen Kriegsfall gehöre in den Unterricht.

Kritik an dem Vorstoß des DL kam postwendend. Und zwar auch von konservativer Seite. »Wir müssen unsere Kinder schultüchtig machen und nicht kriegstüchtig«, erklärte der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek.

Doch was für eine Organisation ist dieser auch bei anderen Themen häufig in den Medien zitierte Lehrerverband eigentlich, der den Vorstoß von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger unterstützt, Kinder und Jugendliche in der Schule mehr auf Krieg und andere Krisen vorzubereiten?

Gegründet wurde der DL 1969 auf Betreiben des Deutschen Philologenverbandes (DPhV), der einen Akzent gegen die vermeintlich »linke« GEW setzen wollte. Bis heute ist er ein Dachverband für vier Organisationen: Neben dem DPhV sind der Verband Deutscher Realschullehrer (VDL), der Bundesverband der Lehrkräfte für Berufsbildung (BvLB) und die Katholische Erziehergemeinschaft (KEG) Teil des DL.

Mit rund 165 000 Mitgliedern ist der DL neben der GEW mit rund 280 000 und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) mit 164 000 Mitgliedern eine von drei großen Interessenvertretungen für Pädagogen in Deutschland.

Tonangebend ist im DL allerdings mit rund 90 000 Mitgliedern der Philologenverband. Er vertritt die Interessen der Gymnasiallehrer und tritt am häufigsten mit seinen Positionen an die Öffentlichkeit, während die drei kleineren Verbände so gut wie nie mit Statements in Erscheinung treten.

In seinem Grundsatzpapier ›Bildung in Deutschland – Diagnosen und Perspektiven‹ wird dann auch deutlich, wer im DL die Majorität stellt. »Mehr Bildungschancen und eine größere Chancengerechtigkeit erreicht man nicht durch Nivellierung von Ansprüchen beziehungsweise durch inflationäre Verteilung von Bildungszertifikaten«, ist da zu lesen. Und weiter: »Die Behauptung, weltweit habe sich die Einheits- und Gesamtschule als überlegen durchgesetzt, ist völlig unzutreffend.« Die Gesamtschule habe die Erwartungen in Deutschland nicht erfüllt. Man widersetze sich »vehement« allen Bestrebungen, das vielgliedrige Schulsystem durch eines zu ersetzen, in dem Kinder länger gemeinsam lernen.

Dabei will der DL gern flächendeckend zu »G9« zurück, also zum Abitur in neun Jahren von Klasse 5 bis 13. Was zunächst positiv im Interesse der Gymnasiasten klingt, würde etwa in Hamburg bedeuten, dass sich der Trend der Stadtteilschule zur »Resteschule« weiter verschärft. Bislang bietet die Stadtteilschule in der Hansestadt das Abitur nach neun Jahren an, während die Gymnasien nach acht Jahren enden. Würde man es angleichen, so befürchten Kritiker, entfiele unter Umständen der letzte »Standortvorteil« für die Stadtteilschule. Doch solchen Details widmet sich der DL nicht, obwohl er »Bildungschancen« fordert.

Darüber hinaus tritt der Verband vor allem mit angstbesetzten Themen an die Öffentlichkeit. Eine »Migrantenquote« forderte etwa der ehemalige Vorsitzende Heinz-Peter Meidinger Anfang 2023. Weiter warnt der DL vor einem steigenden Drogenkonsum durch die gerade in Kraft getretene Cannabis-Legalisierung.

Sein »Markenkern« bleibt jedoch die Verteidigung des Gymnasiums auf Biegen und Brechen. Als in Hamburg 2018 über ein einheitliches Studium aller Sekundarstufenlehrer nachgedacht wurde, lief Meidinger zur Höchstform auf. Da wurde die Angst vor der »Gemeinschaftsschule« noch einmal sehr deutlich. Die Idee sei »ein Rückfall in eine von Ideologie bestimmte Bildungspolitik«, wetterte der DL-Präsident. Die Lehrer an Stadtteilschulen müssten die »pädagogischen Herausforderungen der sehr heterogenen Schülerschaft« stemmen, während die Gymnasiallehrer ihre Schüler »bestmöglich für die allgemeine Hochschulreife vorzubereiten« hätten.

Dass Stadtteilschulen auch das Abitur anbieten, blendete er dabei aus. Und offenbarte einmal mehr, was seinem Verband sehr wichtig ist: dass »Heterogenität« bitte nicht an Gymnasien stattfinden soll.

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