Cofag: Bussi-Bussi-Clique unter der Lupe

Österreichisches Parlament untersucht Verhältnis von Politik und Superreichen in der Corona-Zeit

Die SPÖ fährt im Ausschuss mit einem speziellen Aktenkoffer vor.
Die SPÖ fährt im Ausschuss mit einem speziellen Aktenkoffer vor.

In Wien tagen momentan gleich zwei Untersuchungsausschüsse. Besonders interessant ist der Cofag-Ausschuss, und das aus drei Gründen: Erstens begutachtet das österreichische Parlament erstmals die Finanzspritzen, die während der Corona-Pandemie von der konservativ-grünen Regierung an Unternehmen vergeben wurden. Zweitens könnte der Unternehmer René Benko hier seinen ersten offiziellen Auftritt seit der Signa-Pleite haben. Er soll, so Jan Trainer von der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ), »exklusive Tipps und Unterstützung aus dem Finanzministerium« erhalten haben, um Steuern zu vermeiden. Seinen Termin am Donnerstag sagte er jedoch spontan ab. Drittens gibt der Ausschuss aussagekräftige Einblicke in Österreichs Politik und ihr Verhältnis zu Superreichen.

Am Mittwoch wurden mehrere Finanzbeamte aus Innsbruck, Benkos Heimatstadt, zum Verkauf des Tuchlaubenkomplexes befragt, eines Luxuseinkaufcenters in Wien. Nach dem Verkauf sollte die Signa-Holding 50 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Sie verlegte ihren Hauptsitz daraufhin von Wien nach Innsbruck, womit auch das zuständige Finanzamt wechselte. Dort musste Benko plötzlich nur noch 36 Millionen nachzahlen. Die Beamten beteuerten, nichts damit zu tun gehabt zu haben.

Am Donnerstag wurde, nach Benkos Absage, Eduard Müller befragt. Er war ab 2015 Sektionsleiter im Finanzministerium und von 2019 bis 2020 Finanzminister in der Expertenregierung von Brigitte Bierlein. Er soll, so der Vorwurf im U-Ausschuss, für Benko und die Signa-Gruppe interveniert haben. Auch ehemalige Mitarbeiter warfen ihm vor, sich immer wieder in Steuerverfahren, wie jenem von Benko, eingemischt zu haben. Das bestritt Müller während seiner Befragung vehement. Er habe sich »nichts vorzuwerfen«, außer dass er »Schmid, nicht durchschaut habe«, berichtet die Tageszeitung »Der Standard«. Thomas Schmid war Kabinettschef und Generalsekretär unter ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und wesentlicher Bestandteil des »Systems Kurz«. Eine Gruppe rund um den Ex-Kanzler, die sich gegenseitig Posten, Geld und Informationen zugeschachert haben soll.

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Die Abkürzung Cofag steht für Covid-19-Finanzierungsagentur des Bundes GmbH. Diese wurde 2020 gegründet und war während der Pandemie dafür zuständig, die Zahlungsunfähigkeit österreichischer Unternehmen durch finanzielle Unterstützung zu verhindern. »Rasch und effizient, transparent und nachvollziehbar«, wie es in ihrer Selbstbeschreibung steht.

Während erstere Attribute anderenorts diskutiert werden – manche der versprochenen Zahlungen sind bis heute nicht erfolgt –, geht es im Cofag-Ausschuss um die Transparenzfrage. Präzise darum, ob Politiker*innen der konservativen ÖVP ihren Einfluss genutzt haben, um befreundeten Milliardären mehr Förderungen zukommen zu lassen. Deswegen auch der offizielle Name: Untersuchungsausschuss betreffend Zwei-Klassen-Verwaltung wegen Bevorzugung von Milliardären durch ÖVP-Regierungsmitglieder. Warum die ebenfalls regierungsbeteiligten Grünen ausgespart bleiben, ist unklar. Der Ausschuss begutachtet den Zeitraum von 2017 bis 2023, Ende April findet die nächste Sitzung statt.

Jener Superreiche, um den es sich vorrangig dreht, ist René Benko. Bereits im März stellte sich durch Zahlen des Transparenzportals des Finanzministeriums heraus, dass die Unternehmen, die René Benko zugerechnet werden, mindestens 18,7 Millionen Euro von der Cofag erhalten haben sollen. Damit soll, so der Vorwurf des U-Ausschusses, die von der EU festgelegte Grenze für Unternehmensverbünde von 14 Millionen Euro überschritten worden sein. Vorausgesetzt, Benkos Beteiligungen werden als Unternehmensverbund gesehen.

Seine bereits zweite Absage an den U-Ausschuss begründete er in einem Schreiben an die Parlamentsdirektion. Über seinen Anwalt ließ er mitteilen, die »mediale Sensationsberichterstattung« im Vorfeld seines Termins mit »nahezu täglich neuen Vorwürfen« mache einen Auftritt »unzumutbar«. Er könne nicht abschätzen, wie es um das Recht seiner Aussageverweigerung stehe. So berichtete der Radiosender Ö1.

Das Parlament beantragte nun eine Beugestrafe für Benko, um ihn zur Aussage zu bewegen. Damit wäre noch im April oder Mai eine Anhörung möglich. Dass sich Benko um anstehende Gerichtsverfahren sorgt, ist naheliegend. Erst im Februar war Ex-Kanzler Kurz wegen einer Falschaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss schuldig gesprochen worden. In diesem Ausschuss war die Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung untersucht worden. Kurz legte Berufung ein.

Jenen Ibiza-Ausschuss zog der Abgeordnete Klaus Frühlinger (ÖVP) heran, um den Sinn des Cofag-Ausschusses bereits vor Beginn zu hinterfragen. Dessen Ergebnis wäre, so Frühlinger laut Parlamentskorrespondenz, ein »Gesamtschaden« für die Politik. Das hätten die Reaktionen der Bevölkerung auf frühere U-Ausschüsse gezeigt. Umso beachtlicher, dass parallel zum Cofag-Ausschuss ein zweiter Ausschuss tagt. Der »Rot-Blaue Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss« soll Regierungszeiten von SPÖ und FPÖ zwischen 2007 und 2020 unter die Lupe nehmen. Ein Negativbeispiel wäre der ehemalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Er hatte drei Wochen nach Ende seiner Amtszeit eine Stelle als Berater der Signa-Holding angenommen.

Was sich an den U-Ausschüssen zeigt: Viele jetzige und ehemalige Regierungsmitglieder, egal welcher Couleur, waren mit Benko auf Bussi-Bussi-Basis. Also per Wangenkuss verbandelt, wie es in Österreich heißt. Dort wird im Herbst gewählt – eine gelungene Wahlkampfmasche sind die Ausschüsse nicht.

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