Stromnetzausbau in Berlin: Mammutprojekt mit Mammutkosten

Das Berliner Stromnetz soll seine Kapazität nahezu verdoppeln. Entgelte dürften steigen

Arbeiter im Umspannwerk Friedrichshain: Etwa 500 Kilometer Hochspannungskabel sollen in Berlin verlegt werden.
Arbeiter im Umspannwerk Friedrichshain: Etwa 500 Kilometer Hochspannungskabel sollen in Berlin verlegt werden.

Was die Pläne von Senat und Netzbetreibern für die Endverbraucher bedeuten, ließ sich Stephan Boy, Geschäftsführer der Berlin Energie und Netzholding (BEN), erst auf Nachfrage entlocken. »Ja, es wird zu einem Anstieg der Netzentgelte kommen, aber er wird moderat bleiben«, sagte der Manager des landeseigenen Energieunternehmens am Dienstag bei der Vorstellung der Ausbaupläne für das Stromnetz. Weil das Unternehmen für notwendige Investitionen Kredite aufnehmen werden müsse, werde die Zinslast steigen – was bei den Netzengelten »eingepreist« werde, wie es im Fachsprech heißt.

Im Gegenzug soll der Stadt dafür allerdings auch etwas geboten werden. Das Stromnetz soll seine Kapazität bis 2033 etwa verdoppeln. Die Leistung soll von derzeit 2,2 Gigawatt auf 4,1 Gigawatt im Jahr 2033 steigen. Dafür sollen drei Netzwerkknoten neu gebaut werden und weitere erweitert, 29 Umspannwerke ausgebaut oder neu errichtet und knapp 500 Kilometer Hochspannungskabel neu verlegt werden – vor allem in der dicht bebauten Innenstadt nicht immer ein leichtes Unterfangen. Beim Bau eines Umspannwerks in Neukölln habe man wichtige Bauteile etwa von oben mit einem Kran in das Gebäude herablassen müssen, weil der Baubereich so eng ausgefallen sei, berichtete Erik Landeck, Geschäftsführer des Netzbetreibers Stromnetz Berlin, einer Tochter der BEN.

Nötig macht den Turbo-Ausbau die Klimawende. Damit Berlin klimaneutral werden kann, soll in Industrie, Bauwirtschaft und Verkehr auf Elektrizität gesetzt werden. »Wenn wir die Dekarbonisierung wollen, brauchen wir Strom«, sagte Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Zu den künftig größten Stromfressern gehört etwa das Wärmenetz, das gerade erst in Landeshand gewandert ist. Das ohnehin sanierungsbedürftige Netz soll auf klimafreundliche Energieträger umgestellt werden. »Da stehen wir noch ganz am Anfang«, so Giffey.

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Privatkunden machen den Ausbau nicht notwendig. »Obwohl Berlin zuletzt gewachsen ist, ist der Stromverbrauch gesunken«, sagte Stromnetz-Geschäftsführer Erik Landeck. Hier machen sich offenbar Energiesparmaßnahmen bemerkbar. Stark schlägt dagegen die Elektrifizierung des Verkehrs zu Buche. Dabei gehe es nicht nur um Ladesäulen für private E-Autos, sondern vor allem auch um den Busverkehr, der in den kommenden zehn Jahren dieselfrei werden soll. »Eigentlich müsste man neben jeden BVG-Betriebshof ein eigenes Umspannwerk stellen«, sagte Landeck. Auch die Digitalisierung belastet die Stromnetze. Ein einzelnes Rechenzentrum verbrauche ähnlich viel Strom wie die gesamte Stadt Potsdam, rechnete Landeck vor. Zurzeit gebe es 26 solcher Rechenzentren, die auf einen Stromanschluss warten.

Insgesamt soll der Netzausbau etwa fünf Milliarden Euro kosten. Dafür soll der BEN für das laufende und das kommende Jahr jeweils 300 Millionen Euro an Eigenkapitalzuschüssen aus dem Landeshaushalt erhalten. So soll das Unternehmen einfach Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen können. »Das Geld wird sich am Ende verdrei- oder vierfachen«, versprach Geschäftsführer Stephan Boy. Um die Zinsen – die sich am Ende auch auf Netzentgelte niederschlagen werden – möglichst gering zu halten, arbeite man mit der Senatsfinanzverwaltung zusammen, um zu möglichst günstigen Konditionen die Kredite aufnehmen zu können.

Für Franziska Giffey hat die Rekommunalisierung des Stromnetzes 2021 die Ausbaupläne erst ermöglicht. »Eine integrierte Gesamtplanung ist einfacher, wenn alles in Landeshand liegt«, sagte sie. Auch Erik Landeck bemerkt deutliche Effekte der Verstaatlichung: »Wenn man auf die Zeitlinie guckt, sieht man, wie die Investitionen nach der Rekommunalisierung massiv gestiegen sind.«

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