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Kein Kiosk mit dem Koalitionspartner

Zu teuer gilt nicht, meint Andreas Koristka und macht Vorschläge für die Gesundheitsversorgung

Besser als nichts: Auch in dieser Telefonzelle könnte preiswerte Gesundheitsberatung stattfinden.
Besser als nichts: Auch in dieser Telefonzelle könnte preiswerte Gesundheitsberatung stattfinden.

Es war eine großartige Idee des Gesundheitsministers: Prof. Dr. Karl Lauterbach plante, in den 1000 ärmsten Stadtteilen Deutschlands die ambulante Versorgung durch Gesundheitskioske zu verbessern. In diesen neuen Einrichtungen sollten Menschen, die so arm sind, dass sie sich nicht mal eine private Krankenversicherung leisten können, eine medizinische Versorgung erhalten. In den Gesundheitskiosken sollten Pflegefachkräfte medizinische Routineaufgaben ausführen. Sie hätten dort den Blutzuckerspiegel messen, Verbände wechseln oder eine Beule mit einem kalten Löffel zurück in den Kopf drücken können. Um die Kosten etwas abzufedern, sollten die Kioske später auch saure Apfelringe, Zigaretten und die »Bild«-Zeitung verkaufen.

Leider wurde aus den schönen Plänen nichts, denn der FDP waren sie zu teuer. Jetzt steht zu befürchten, dass die Armen wieder die Arztpraxen stürmen, unbescholtenen Durchschnittsverdienern die Termine wegnehmen und schamlos die ausliegenden Illustrierten vor der Nase wegschnappen.

Deshalb wäre es wünschenswert, wenn Karl Lauterbach kostengünstigere Alternativen zu den Gesundheitskiosken ersinnen würde. Möglich wären zum Beispiel Gesundheitsbauchläden, deren Träger ihr Angebot niedrigschwellig an jeder Straßenecke anbieten könnten. Wenn man dafür kein medizinisch ausgebildetes Personal bereitstellen möchte, könnte man dort auch Laien einsetzen, die eine medizinische Erstbetreuung mit Blitzdiagnosen wie »Menschenskinder, Sie sehen aber gar nicht gut aus!« abdecken könnten.

Andreas Koristka

Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.

Sollte Christian Lindner auch das zu teuer sein, wäre das Konzept der Gesundheitstelefonzelle eine weitere Option. Denn die Telefonzellen, die noch vielerorts herumstehen, braucht man nicht mehr, seit sie nicht mehr als öffentliche Bücherschränke benutzt werden. Man könnte über die Telefonhörer Bandansagen laufen lassen, die gemahnen, täglich mindestens anderthalb Liter Wasser zu trinken und einen Apfel zu essen.

Und wenn das Budget des Finanzministers auch diese Variante nicht zulässt, dann sollte es wenigstens all jenen, die sich kein Fitnessgerät leisten können, erlaubt werden, die Rolltreppen in den Shopping-Malls an Werktagen zwischen 11 und 13 Uhr in umgekehrter Richtung kostenfrei zu benutzen. Denn wer fit ist, der braucht keinen Arzt!

Und wer doch krank werden sollte, kann auf die Selbstheilungskräfte des Marktes hoffen. Leider ist momentan die Nachfrage nach Kranken nicht besonders hoch, aber wenn es wieder mehr Ärzte gibt, dann könnte diese Nachfrage wieder steigen. Deshalb ist jeder potenzielle Besucher eines Gesundheitskiosks gut beraten, ein Medizinstudium zu beginnen und irgendwann abzuschließen. Das dauert auch nicht länger als das Warten auf einen Termin beim HNO-Arzt.

So könnte das Veto der FDP gegen die Gesundheitskioske dazu beitragen, dass sich der Ärztemangel von allein erledigt. Denken Sie das nächste Mal daran, wenn Sie sich über die lange Wartezeit auf einen Termin beim Orthopäden ärgern!

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