Bundesliga: Union Berlin droht der Fall ins Bodenlose

Durch die erschütternde 2:3-Niederlage in Köln rückt die Gefahr des direkten Abstiegs näher

  • Matthias Koch, Köln
  • Lesedauer: 5 Min.
Das blanke Entsetzen: Union und Nationalspieler Robin Gosens verlieren auch in Köln.
Das blanke Entsetzen: Union und Nationalspieler Robin Gosens verlieren auch in Köln.

Eine Explosion der Emotionen erschütterte am Sonnabend den Kölner Stadtteil Müngersdorf. In der Schlussphase des Abstiegsgipfels zwischen dem 1. FC Köln und dem 1. FC Union Berlin stand das Stadion Kopf: Mit unbändigem Kampfgeist konnten die Gastgeber tatsächlich aus einem 0:2-Rückstand noch einen 3:2-Erfolg machen.

Der Trainerwechsel in Köpenick brachte damit erst einmal nichts. Der neue Union-Coach Marco Grote hatte in den Tagen vor dem Match viel Optimismus versprüht. Zusammen mit seinen Assistenten Marie-Louise Eta und Sebastian Bönig wurde dem U19-Trainer die Aufgabe Klassenerhalt für den am vergangenen Montag entlassenen Nenad Bjelica übertragen. Nach dem Kölner Wirkungstreffer für den ganzen Klub ist Grote weiterhin positiv gestimmt: »Ich werde nicht aufhören. Ich habe da nach wie vor Bock drauf. Ich freue mich auf das Spiel gegen Freiburg. Wir werden die Tage nutzen. Ich glaube nach wie vor an die Qualität dieser Mannschaft«, erklärte der 51-Jährige.

Negativserie

Seine neue Truppe ist nun aber schon seit sieben Begegnungen ohne Sieg. In knapp zwei Monaten hat sie seit dem 26. Spieltag einen Neun-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsrang verzockt. Auf diesen ist Union nun zurückgefallen, auch weil der 1. FSV Mainz 05 gegen Borussia Dortmund am Samstagabend mit 3:0 triumphierte. Der BVB scheint nach dem Einzug in das Finale der Champions League und der schon sicheren Qualifikation für die Königsklasse auf die Bundesliga wohl nicht mehr so viel Wert zu legen.

In Köln hätte es aus für den 1. FC Union durchaus anders laufen können. Ein Kopfball-Treffer von Robin Knoche, der den angeschlagenen Abwehrchef Kevin Vogt in der Startelf ersetzte, und ein Elfmeter-Tor von Kevin Volland führten nach 20 Minuten zu einem solidem 2:0-Vorsprung nach zwei Standardsituationen der Berliner. Doch mit einem Strafstoß von Kapitän Florian Kainz gelang den Gastgebern kurz vor der Pause der Anschluss und brachte sie wieder ins Spiel.

Erwartungshaltung

Union Berlin besaß im zweiten Durchgang einige Gelegenheiten bei Kontern, die Benedict Hollerbach in der 83. Minute und Andras Schäfer in der Nachspielzeit jedoch kläglich vergaben. Zuvor hatte Robin Gosens nach einem Eckball von Kapitän Christopher Trimmel den Ball in der 67. Minute nur an die Latte gebracht. Doch insgesamt kam von den Berlinern in der zweiten Hälfte zu wenig. Das verletzungsbedingte Ausscheiden von Mittelfeldchef Rani Khedira nach 45 Minuten, der den Elfmeter zum 1:2 verursacht hatte, und Trimmel in der 72. Minute war offensichtlich nicht zu kompensieren.

Der nach überstandener Verletzung erstmals seit Anfang März wieder in der Startelf verteidigende Jerome Roussillon wurde möglicherweise zu früh eingesetzt. Sein linker Oberschenkel machte nach einer Stunde bei einem Schuss ohne gegnerische Einwirkung zu. Und: Den nach 54 Minuten eingewechselten Stürmern Benedict Hollerbach und Chris Bedia fehlt aktuell wohl nicht nur die Qualität für die Bundesliga, sondern auch die Einstellung. Bei Angriffen der Kölner trabten sie teilweise einfach nur hinterher. Bedia bekam dafür von Grote an der Seitenlinie eine Standpauke. »Es war meine Erwartungshaltung, dass er die Beine in die Hand nimmt, Anschluss bekommt und umschaltet. Das war mir zu langsam. Das habe ich ihm auf Englisch erklärt, Jerome Roussillon hat auf Französisch ergänzt«, erklärte der Trainer später.

Abstiegsrechnung

In Summe führten die Union-Makel zu einer erschütternden Niederlage. Die eingewechselten Kölner Steffen Tigges und Damion Downs schlugen 180 Sekunden vor dem regulären Ende beziehungsweise in der dritten Minute der Nachspielzeit mit ihren Treffern zum Ausgleich und dem 3:2-Sieg entscheidend zu. Die Freude in Köln-Müngersdorf kannte nun keine Grenzen mehr – auf dem Platz und unter den 45 000 FC-Fans unter den insgesamt 50 000 Zuschauern.

Viele Anhänger des wie Union seit 2019 in der Bundesliga spielenden Traditionsvereins hatten nach tristen Wochen mit dem direkten Abstieg gerechnet. Nun kann am letzten Spieltag, an dem Köln am kommenden Sonnabend in Heidenheim antritt, doch noch die Relegation erreicht werden. »Ich bin unfassbar stolz, dass wir weiter daran geglaubt haben. Das Publikum war auch wieder da. Sie haben den Funken aufgenommen, den wir angezündet haben«, sagte Kölns Trainer Timo Schultz.

Geschenk

Bei Union herrschte dagegen blankes Entsetzen über die wie in der Vorwoche bei der 3:4-Heimpleite gegen den VfL Bochum ausgelassene Chance, einem direkten Mitkonkurrenten sportlich zu schaden. Union steht vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg mit dem Rücken zur Wand: Bei einer Niederlage und einem gleichzeitigen Kölner Sieg könnte auch das derzeit noch um drei Treffer bessere Torverhältnis nicht reichen.

Die Gefahr des direkten Abstiegs vor Augen versuchte das Vereinsumfeld schon in Köln, nach vorn zu schauen. Kommunikationschef Christian Arbeit lief nach dem Abpfiff auf den Rasen und forderte am Boden kauernde Spieler auf, sich wieder aufzurichten. Die Ultras sprachen im Innenraum zu den Spielern. »Am Ende ist die Chance noch da, dass wir die Klasse halten. Nach so einer Saison wäre es auch ein Geschenk. Wir müssen die Kräfte bündeln und positiv bleiben«, sagte Kapitän Trimmel: »Mit der Fanszene haben wir uns richtig gut ausgetauscht. Sie haben uns schon ein bisschen eingestimmt. Wir schaffen es nur zusammen.« Sonst endet die Saison, in der die Eisernen in der Champions League aufliefen, mit dem Fall ins Bodenlose – dem erstmaligen Abstieg in die 2. Bundesliga.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal