Homophobie: Uganda ist kein Modell

»Anti-Homosexualitäts-Gesetz« steht nicht für den Kontinent Afrika

  • Lutz van Dijk, Kapstadt
  • Lesedauer: 4 Min.
Geflüchtete LGBTQ aus Uganda posieren in einem Lager im Nachbarland Kenia.
Geflüchtete LGBTQ aus Uganda posieren in einem Lager im Nachbarland Kenia.

Derzeit gibt es in 31 der 54 Staaten Afrikas Gesetze gegen queere Menschen. Die konkrete Situation in den 31 Ländern ist indes unterschiedlich und selbst in Uganda hatte Präsident Yoweri Museveni (79) noch ganz andere Motive als (so die Begründung), »Bedrohungen der traditionellen Familie zu bekämpfen«. In Uganda ist das »Anti-Homosexualitäts-Gesetz« seit Mai 2023 in Kraft, das sogar die Todesstrafe für »schwere Homosexualität« vorsieht, die jedoch seit Jahren in Uganda nicht mehr vollstreckt worden ist, obwohl sie auch in anderen Gesetzen noch im potenziellen Strafmaß enthalten ist.

Oft übersehen wird in der gerechtfertigten Empörung über die Situation in Uganda, dass in den vergangenen Jahren in neun Ländern Afrikas Gesetze gegen Homosexuelle, mehrheitlich noch aus Kolonialzeiten, abgeschafft wurden. In einigen Ländern wurde sogar die Diskriminierung queerer Menschen unter Strafe gestellt. Beginnend mit der weltweit vorbildlichen Verfassung Südafrikas von 1995 stehen dafür die Zentralafrikanische Republik (2008), Lesotho (2010), Mosambik (2015), die Seychellen (2016), Botswana (2016), Gabun (2020), Angola (2021) und Mauritius (2023).

Als Ugandas Präsident Museveni Ende Mai 2023 jenes berüchtigte Gesetz unterzeichnete, das zwei Monate vorher im Parlament eine Mehrheit von 387 Abgeordneten mit nur zwei Gegenstimmen erhalten hatte, war er seit 37 Jahren an der Macht. Um diese auch zukünftig zu sichern und seinen Sohn Muhoozi (50), derzeit bereits Chef der Streitkräfte, als Nachfolger zu positionieren, passt dieses Gesetz gut: Es nutzt christlich-fundamentalistische Emotionen gegenüber sexuellen Minderheiten aus, eine Propaganda, die durch wohlhabende US-Evangelisten noch verstärkt wird. Mit Emotionen lässt sich auch gut von unfairen Wahlen und wirtschaftlichen Problemen ablenken. Auch der führende Oppositionspolitiker Bobi Wine (42), im vergangenen Wahlkampf mehr als einmal unter Hausarrest gestellt, wurde kürzlich als »Freund der Schwulen« attackiert, nachdem er in Brüssel den offen homosexuellen EU-Parlamentarier David Vidal Sans zum Thema »Digitale Kommunikation« getroffen hatte.

Das neue Gesetz hat für die queere Community in Uganda schlimme Konsequenzen, auch wenn die offiziell angekündigte Todesstrafe für Homosexuelle, die »Sex mit Minderjährigen, Behinderten oder Alten« haben, derzeit de facto lebenslange Haft bedeutet, da die Todesstrafe in Uganda seit langem nicht mehr praktiziert wird. Am 3. April 2024 wurde eine Klage mehrerer Menschenrechtsgruppen gegen das Gesetz vom Verfassungsgericht in Kampala abgewiesen, da dieses Gesetz im Einklang »mit den Normen und Werten des Landes« stehe.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

»Seit Mai 2023 bis heute wurden nachweislich rund 600 Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität Opfer dieses unmenschlichen Gesetzes«, schrieb der Uno-Kommissar für Menschenrechte, Volker Türk, in Genf noch am Tag der Verfassungsgerichtsentscheidung. Auf den Vorwurf der »Bedrohung der Familie« antwortete der ugandische Aktivist Edward Mutebi (32) von »Let’s walk, Uganda« (www.lwuganda.org), der aufgrund nachgewiesener Folter und Haft in Deutschland Asyl erhielt und heute in Berlin studiert: »Was uns angetan wird, ist gegen unsere afrikanischen Traditionen, wo Familienwerte ganz oben stehen. Das gilt für jedes Mitglied der Familie – meine Eltern, meine Geschwister, meine Kinder. Sie zu verstoßen, weil sie einer sexuellen Minderheit angehören, ist scheinheilig und würdelos.« Und er erinnert an seinen Freund Brian: »Brian Wasswa ist nur ein Jahr älter als ich und von der eigenen Familie verstoßen worden. Am 5. Oktober 2019 wurde er in seinem Dorf mit Hacken erschlagen, weil er sich mit der Organisation Children of the Sun für Straßenkinder einsetzte, auch solche, die mit Sexarbeit zu überleben versuchten.«

Andere, wie der Anwalt Frank Mugisha (44) von Sexual Minorities of Uganda (SMUG, www.smuginternational.org), halten es weiter aus in Uganda, obwohl er bereits zahlreiche Ehrungen im Ausland erhielt. Er teilte dieser Tage mit: »Nach unserer Kenntnis sind derzeit zwölf Menschen nach dem neuen Gesetz wegen ›schwerer Homosexualität‹ angeklagt, weitere befinden sich in Untersuchungshaft.«

Die Situation in Afrika bleibt widersprüchlich, und es ist wichtig, sie wahrzunehmen, um informiert solidarisch zu sein: Während der Präsident von Burundi, Évariste Ndayishimiye (55), Ende Dezember 2023 »die Steinigung von Schwulen im Sportstadion« forderte, erklärte der Premierminister von Gabun, Julien Nkoghe Bekale (62), 2020: »So wie ich gegen die Todesstrafe bin, bin ich gegen jede Stigmatisierung von Homosexuellen. Ich gratuliere allen Parlamentariern, die dem zustimmten und dadurch Mentalitäten ändern.«

Dazu gehört auch, dass selbst in Südafrika nichts für immer gesichert bleibt: Der wegen Korruption 2018 entlassene Präsident Jacob Zuma (82), erklärte jetzt vor den Wahlen am 29. Mai, dass wenn seine neugegründete MK-Partei gewinnen sollte, »alle verderblichen Gesetze, wie das zur gleichgeschlechtlichen Ehe, abgeschafft werden« würden.

In Deutschland unterstützt die Queere Nothilfe auch queere Menschen in Uganda: www.queere-nothilfe.de

Mehr zu Brian Wasswa auch in: van Dijk, Lutz: Kampala – Hamburg. Roman einer Flucht, Berlin 2020

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.