Neue Vergütung für Hausarztpraxen

Kabinett beschließt Gesetz zur Reform der ambulanten Versorgung

Jonas Niemann, Hausarzt im Wendland, misst den Blutdruck bei einer Patientin. Auch in dieser Region gibt es nur noch wenige allgemeinmedizinische Praxen.
Jonas Niemann, Hausarzt im Wendland, misst den Blutdruck bei einer Patientin. Auch in dieser Region gibt es nur noch wenige allgemeinmedizinische Praxen.

Im Fokus eines neuen Gesetzes zur Verbesserung der ambulanten Versorgung stehen die Hausarztpraxen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hatte am Mittwoch entsprechende Pläne ins Kabinett eingebracht. Demnach sollen Obergrenzen bei der Vergütung wegfallen und Pauschalen eingeführt werden, um Überlastungen zu vermeiden. Bessere Arbeitsbedingungen sollen dazu beitragen, das Netz der Hausarztpraxen mit Blick auf eine kommende Ruhestandswelle zu erhalten.

Hausärzte seien in der Regel die ersten Ansprechpersonen für Versicherte und Lotsen im Gesundheitssystem, heißt es im Entwurf. Weil sie den überwiegenden Teil der Gesundheitsprobleme schnell behandeln könnten, trügen sie dazu bei, die Inanspruchnahme teurerer Strukturen wie der Notaufnahmen in Kliniken zu verringern. Der Bereich solle »finanziell attraktiver« werden, um dem zunehmenden Bedarf für den hausärztlichen Nachwuchs zu begegnen.

So sollten bei der Vergütung – wie schon bei Kinderärzten – sonst übliche Obergrenzen aufgehoben werden. Mehrarbeit würde dann sicher bezahlt, auch wenn das Budget ausgeschöpft ist. Die gesetzlichen Krankenkassen würde das einen »unteren dreistelligen Millionenbetrag« zusätzlich kosten, schätzt das Ministerium. Kommen soll auch eine jährliche Pauschale für Chroniker, die ständig Medikamente nehmen – diese müssten nicht mehr für jedes Rezept in die Praxis kommen. Eine weitere Pauschale könnte es für Öffnungszeiten abends und an Samstagen sowie für Haus- und Pflegeheimbesuche geben.

Weitere Abschnitte im Gesetzentwurf sind der psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, der Transparenz bei bestimmten Kassenleistungen und der vereinfachten Gründung von kommunalen Medizinischen Versorgungszentren gewidmet.

Von den Regelungen betroffene Berufsgruppen reagierten unmittelbar auf diesen Schritt in der Gesetzgebung. Den Hausärzten selbst reichten die absehbaren Verbesserungen nicht aus. »Die Entbudgetierung allein wird nicht ausreichen, um das Ruder herumzureißen«, kommentierte Marcus Beier vom Hausärzteverband. Aus der Medizinergruppe kommen unter anderem Forderungen nach einem Bonus für Patienten, die sich für eine hausarztzentrierte Versorgung entscheiden. Dies könne die Patientensteuerung verbessern.

Mehrfach kritisiert wurde, dass Minister Lauterbach offenbar unter Druck von Koalitionspartnern einige Elemente wieder aus dem Gesetzentwurf entfernt hatte. Dazu gehören Einrichtungen, die insbesondere auf Unterstützung und Prävention in Gebieten und Stadtteilen mit vielen sozial benachteiligten Menschen zielen: Sogenannte Gesundheitskioske, Primärversorungszentren und Gesundheitsregionen. Man brauche aber mehr Gesundheitsförderung, Prävention, Koordination und Kooperation, erklärt etwa das Deutsche Rote Kreuz und verweist auf bröckelnde Versorgungsstrukturen und zu wenig Hilfe zur Selbsthilfe.

Lauterbach will offenbar diese Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag im späteren Verlauf der parlamentarischen Beratung erneut aufrufen. Direkt gefordert wird ein solcher Schritt unter anderem von der Diakonie. »Zukunftsfähige Versorgungsmodelle sind multiprofessionell ausgerichtet und bieten Prävention, Gesundheitsförderung, soziale Beratung und medizinische Versorgung unter einem Dach. Ein gutes Vorbild sind hier die kanadischen Community Health Centers, die genau das vereinen und im dortigen Gesundheitssystem nicht mehr wegzudenken sind«, erklärte Maria Loheide, Sozialvorständin der Diakonie Deutschland.

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