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Brandenburg: Vorbereitung auf Starkregen

25 Millionen Euro Fördermittel für Maßnahmen gegen Unwetterschäden

Im Sommer 2017 im überschwemmten Leegebruch – es kann wieder und immer öfter geschehen.
Im Sommer 2017 im überschwemmten Leegebruch – es kann wieder und immer öfter geschehen.

Am Mittwochnachmittag setzte im Westen und Norden Brandenburgs heftiger Regen ein, überschwemmte zum Beispiel in Potsdam die Kreuzung von Zeppelin- und Geschwister-Scholl-Straße, und es lief Wasser in eine Souterrainwohnung. Feuerwehrleute rückten aus und räumten umgestürzte Bäume von den Straßen. Insgesamt blieb es aber bei kleineren Schäden. Die Meteorologen hatten Schlimmeres vorhergesagt.

Da es glimpflich ablief, erlaubte sich Simon Henneberg am Donnerstagmorgen einen Scherz. Er ist der zuständige Referatsleiter im brandenburgischen Umweltministerium und eröffnete in der Potsdamer Staatskanzlei eine Konferenz zum Starkregen-Risikomanagement. Er leitete seine Begrüßung der Teilnehmer mit der Bemerkung ein: »Wir haben ein kleines Starkregen-Ereignis bestellt, aber auf gestern gelegt, damit Sie gut anreisen können.«

Anders als am Mittwochnachmittag kann es auch richtig gefährlich werden. Starkregen beginne bei 15 bis 20 Litern, die innerhalb einer Stunde pro Quadratmeter niedergehen, es könnten jedoch auch 40 Liter sein, erläuterte Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Die Kanalisation könne solche Wassermassen dann nicht schnell ableiten und das verursache Schäden.

2005 sei in Oderberg nach beständigem Regen ein Hang abgerutscht. Die Sicherungsmaßnahmen seien für die Gemeinde sehr teuer geworden, erinnerte Vogel. 2017 habe sich in Leegebruch Wasser in einer Senke gesammelt. Straßen und Keller sind damals vollgelaufen. 2021 sei im uckermärkischen Prenzlau sogar mehr Regen niedergegangen als zeitgleich im rheinland-pfälzischen Ahrtal. Doch während sich im engen Tal das Wasser staute und 135 Menschen in den Tod riss, verteilte es sich in der vergleichsweise platten Uckermark, weshalb dort die Katastrophe ausblieb.

Der Umweltminister sieht Anzeichen, dass die zunehmende Zahl von Unwettern mit der Klimaerwärmung zu tun hat. Bis Ende des Jahrhunderts könnte sie Prognosen zufolge noch um 40 bis 50 Prozent zunehmen. »Ich denke, das sind konservative Schätzungen«, sagte Vogel. Er erwartet, dass es sehr viel schneller sehr viel mehr Starkregen geben wird.

Da war Frank Kasper vom Deutschen Wetterdienst als Wissenschaftler vorsichtiger bei seiner Einschätzung. Er hat sich die Radardaten seit 2001 angesehen und bemerkte, die Zeitreihe sei zu kurz, um definitiv zu wissen, dass der Klimawandel verantwortlich sei. »Aber wir haben ja ein physikalisches Grundverständnis«, erklärte Kasper. So sei 2018 ein sehr trockenes Jahr gewesen mit gleichwohl vielen Starkregen-Ereignissen. »Das ist kein Widerspruch.« Bei der Verdunstung sei der Zusammenhang mit der Temperatur ja eindeutig. Eine Zunahme des Starkregens sei durchaus schon aus den Daten ablesbar. Das veranlasste Kasper, bei seinem Vortrag an der Wand den Satz einzublenden: »Die Anzahl der Tage mit Starkniederschlag wird in naher und ferner Zukunft deutlich ansteigen.« Solange das Wasser in der Luft sei, falle es in die Zuständigkeit des Bundes, erzählte Kasper schmunzelnd. Am Boden angekommen, seien Länder und Kommunen verantwortlich.

Die Städte und Gemeinden in Brandenburg sollen sich vorbereiten – das war der Zweck dieser Konferenz. Niemand könne wissen, ob es ihn erst in 60 Jahren trifft oder schon in sechs Monaten, warnte Umweltminister. In Vogels Ressort hat Wolfgang Müller zwei Jahre lang eine Richtlinie ausgearbeitet, nach der das Land Fördermittel ausreicht. Zuschüsse stehen bereit, um Gefahrenanalysen erstellen zu lassen, die zum Beispiel die Höhe von Bordsteinkanten und die Fließgeschwindigkeit berücksichtigen, um dann darauf fußend Konzepte auszuarbeiten und schließlich konkrete Maßnahmen zu ergreifen, als da wären: Abflussmulden und Rückhaltebecken anlegen, Sickerbrunnen bauen, erosionsgefährdete Stellen begrünen oder auch Überflutungsflächen schaffen.

Im Dezember 2023 trat die Richtlinie in Kraft. Anträge auf Fördermittel können seit dem 15. Februar 2024 gestellt werden. Seitdem sind erst vier Anträge eingegangen – aber Müller gibt zu, selbst »perplex« zu sein, welcher Wust von Merkblättern durchzuarbeiten ist, wie viele Formulare auszufüllen sind, wenn jemand EU-Mittel haben wolle. 19 Millionen Euro von der EU und sechs Millionen vom Land stehen bis 2027 zur Verfügung. Die interessierten Kommunen müssten leider einen Eigenanteil von mindestens 20 Prozent aufbringen, stellte Müller klar. Er mahnte, was auch im Flachland passieren könne. Wenn ein Haus lange im Wasser stehe, führe dies zu Schäden. Sei der Öltank betroffen, könne das Haus unbewohnbar werden.

Müller weiß aus eigener Anschauung, dass die Potsdamer Zeppelinstraße bei Regen immer wieder Probleme bereitet. In seinem Hinterhof stehe dann oft eine Pfütze, weil das Wasser dort nicht ablaufen könne.

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