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Savsko Jezero: Am Belgrader Meer
Die nd-Kolumnistin schwimmt durch die serbische Hauptstadt
Es ist milchig grün. Die Pflanzen wiegen sich sanft, rote Blattspitzen schweben mir entgegen. Ich tauche hinab, um sie zu berühren, aber die filigranen Fingerchen liegen tiefer als vermutet. Wie ein dichter Wald breitet sich ein Stängelmeer einige Meter unter mir aus. An ihren Stämmchen wachsen grüne Arme, oben rot gefärbt. Ich verlasse sie, tauche auf, winke meinem Freund am Ufer und kraule zurück.
Belgrad Ende Mai. Die Stadt hat auf Sommer umgestellt, Parks, Straßen und die Flusssäume sind voller Menschen. Hupende Autokonvois fahren zu Kirchen, alle Cafés sind voll. Mehr als drei Fußballspiele finden an diesem Samstag statt, der Rote Stern wird mal wieder Meister und feiert ausgiebig. Es wird musiziert, geheiratet und gejubelt.
Belgrads Schönheit liegt für mich in den Hügeln der Stadt, die weite Blicke gestatten und den beiden Flüssen, die sich am Fuß der Festung Kalemegdan vereinen. Für Momente wähnt man sich am Meer. Die mächtige Donau drückt ihr Türkisgrün weit hinein in die Save, die etliche Brücken überspannen und Neu-Belgrad mit der Altstadt verbinden. Schön zu sehen, wenn Belgrad abends entflammt und sich die Jugend auf der Burg versammelt, die Beine von den Mauern baumeln zu lassen. Gegenüber wirft eine Band Lichter in den Himmel und singt »… auferstanden aus Ruinen.«
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
Seit meinem letzten Besuch vor vier Jahren sind die Preise gestiegen, vor allem für Übernachtungen. Circa hunderttausend Migranten aus Russland leben in der Stadt, gleichzeitig verschwinden Slums. Wo sich ein zentraler ausbreitete, wachsen heute Luxusapartments und Hochhäuser der Waterfront aus dem ehemaligen Bahnhofsviertel. Schon kann man an der Save flanieren oder in Europas größter Shopping-Mall einkaufen. In drei Jahren soll das gigantische Neubauprojekt vollendet sein.
In Richtung Süden führen Pfade an Anglern, Autobahnkreuzen und bröckelnden Piers vorbei. Hier dünsten Diskoboote ihren Rausch aus, kreuzen Jogger, radeln Familien stadtauswärts. Ausflügler grillen, ein Polizist döst vor der schwimmenden Polizeistation, in einem halb versunkenen Boot mit der Aufschrift »Kartell« ziehen Enten Nachwuchs auf. Schildkröten sitzen auf maroden Stegen.
Das Wasser wird dunkler und riecht streng, Belgrad verfügt über kein Klärsystem. Wir hasten weiter, dann endet die Save plötzlich. Ein Wall führt sanft nach oben und der Blick öffnet sich auf einen riesigen See, Savsko Jezero. Ein Arm der Save, die eine große Insel im Fluss umschließt, wurde in den 70er Jahren gekappt und gereinigt – schon hatten die Belgrader einen sieben Kilometer langen See, an den Hunderttausende Badegäste passen. Bei kostenfreier Nutzung der Kiesstrände! Am See wird geangelt, gerudert, einem Hund der Hintern gewaschen, Kinder planschen in einem Eisengatter. Es gibt Eis, Cafés, Grills, Buden, Sportflächen, Picknick-Plätze und (dürftige) Toiletten. Kletterturm, Ski-Simulator und einen verrosteten Bungee-Jumping-Kran.
Die Sonne knallt an diesem Sonntagmittag, wir sind fünf Kilometer hergelaufen. Ich lasse alles auf den Kies fallen, schlüpfe in Badeanzug und Schwimmbrille und rein ins »Belgrader Meer«.
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