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»Fahrplan Zukunft«: Gaslighting à la FDP
Der »Fahrplan Zukunft« der Liberalen ist ein Meisterwerk der Provokation, Wissenschaftsferne und Illusion
»Endlich Samstag! Ich fahre mit dem Auto zum Shoppen in die Stadt, denn dank der FDP kann ich wieder alle Geschäfte direkt anfahren. Fußgängerzonen sind passé! So kann ich bis kurz vor der Ladentür im klimatisierten Auto sitzen. Schatten gibt es nicht mehr, die Bäume und Grünflächen mussten kostenlosen Parkplätzen weichen. Nur ärgerlich, dass ich wegen der langen Parkplatzsuche so viel Benzin verbrate und die Öffnungszeit meines Lieblingsgeschäfts verpasse. Und warum muss ich eigentlich die ganze Zeit husten?«
So ähnlich könnte ein Samstag aussehen, den sich die FDP in ihrem »Fahrplan Zukunft« erhofft, der eine »Verkehrspolitik ohne Ideologie« mit funktionalen Lösungen, besserer Lebensqualität und Anbindung ländlicher Räume fördern soll.
Aus einem Zustand paralysierter Verblüffung heraus muss ich anerkennen: Das Dokument ist ein Meisterwerk! Ein Meisterwerk der Provokation, denn wieder stellt sich die FDP antagonistisch zu einem Kernthema ihres Koalitionspartners auf und denunziert indirekt mit fast jedem Satz die mobilitätspolitischen Anliegen der Grünen als »beschränkend«, »ideologisch« oder »überflüssig«.
Prof. Melanie Jaeger-Erben lehrt Technik- und Umweltsoziologie an der Brandenburgischen TU Cottbus-Senftenberg.
Es ist ein Meisterwerk der Wissenschaftsferne und widerspricht in vielerlei Hinsicht den Erkenntnissen der Stadt- und Mobilitätsforschung. Diese zeigen nämlich, dass Innenstädte eher durch grüne und autofreie Einkaufsstraßen mit alternativen Mobilitätsangeboten belebt werden, durch kulturelle Angebote und die Beteiligung ortsansässiger Akteuren. Sie zeigen, dass Zu-Fuß-Gehen beliebter ist als Autofahren. Der »Fahrplan Zukunft« blendet aus, dass für viele ältere Menschen Autofahren keine Option mehr ist, schon gar nicht in der Innenstadt. Er ignoriert, dass die häufigste Ursache für tödliche Unfälle bei Kindern Transportmittelunfälle sind und die Mehrheit der Kinder dabei mit den Rad oder zu Fuß unterwegs war. Doch statt sich mal mit der Lebensrealität von alten und sehr jungen Menschen zu befassen, will der »Fahrplan in die Vergangenheit« lieber den Motorsport fördern. Um wessen Lebensqualität geht es hier eigentlich genau?
Der Fahrplan ist ein Meisterwerk der Illusion, denn er täuscht mit Begriffen wie »zukunftsgerechter Individualverkehr« vor, dass Mobilität im luftleeren Raum stattfindet, als wären der öffentliche Raum, Luft, Sicherheit, Stille etc. nicht gemeinschaftlich geteilte Güter. Das FDP-Präsidium ist ein Meister des Gaslighting, indem die eigene ideologieschwangere Realitäts- und Faktenblindheit einfach dem Koalitionspartner vorgeworfen wird. Damit schlägt die FDP erneut in eine gefährliche rechtspopulistische Kerbe, die Klima- und Nachhaltigkeitspolitik als subjektiv, individualistisch und elitär brandmarkt, wodurch diese wiederum langsam die Mehrheitsfähigkeit zu verlieren droht.
Die FDP schafft mit dem Fahrplan vor allem ein Meisterwerk der Verführung. Denn es gibt in Deutschland mehr Autos als Haushalte. Fast jeder Haushalt besitzt mindestens eines und fühlt sich zunächst unmittelbar angesprochen vom Versprechen einer größeren, billig zu erlangenden Freiheit. Dabei verkauft die FDP einmal mehr eine negative Freiheit, die einzelne nur auf Kosten anderer ausüben können. Nicht alle Ideen des »Fahrplans Zukunft« sind schlecht, aber die gehen in der Autofetischisierung einer vermeintlich technologieoffenen Partei leider unter.
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