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Lindners Lust auf Überstunden
Felix Sassmannshausen über Anreize für Mehrarbeit
Die Wirtschaft leidet. Sie leidet unter mangelnden Aufträgen, zu hohen Energiekosten, exorbitanten Löhnen, und sie leidet unter zu wenig Personal. Finanzminister Christian Lindner (FDP) versteht dieses Leiden wie kein anderer und will darum Lust auf die Überstunde machen.
Wer aber wird von seiner Lust gepackt? Vermutlich Abbilder seiner selbst, Mini-Lindners, markige Männer, die mit dem Aufsteiger-Mindset eines liberalen Machers ausgestattet sind; Karriere- und Alphatiere, die in Problemen nichts als dornige Chancen und in ihrem Job ihre Berufung sehen. Für den sind sie auf dem Altar der Wirtschaft bereit, auch entsprechende Opfer zu erbringen und bleiben darum schon jetzt gerne mal ein paar Stunden länger im Büro. Um Probleme zu lösen, versteht sich – und, naja, den Chef vor der Bruderhorde zu beeindrucken.
Was erwartet sie schon zu Hause? Kinder, die ihnen die Haare vom Kopf fressen und nicht verstehen, dass sie eine Mission haben. Und eine Partnerin, die nicht sieht, wie wichtig es ist, woran sie gerade arbeiten. Bald haben sie dank Lindner aber ein unschlagbares Argument zur Hand, warum sie länger bleiben müssen. Die Partnerin hingegen wird von Lindners Steueranreizen kaum profitieren, im Gegenteil: Arbeitet sie in Teilzeit, wie etwa die Hälfte der Arbeiterinnen, kommt sie dafür ohnehin nicht infrage; arbeitet sie in Vollzeit, bleibt wahrscheinlich die Kindererziehung und die Pflege von Familienangehörigen an ihr hängen. Lust auf Überstunden dürfte jedenfalls kaum aufkommen.
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