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Apothekensterben in Berlin: Opfer der Inflation
In der Hauptstadt schließt eine Apotheke nach der anderen – bei gleichzeitig steigendem Bedarf
Wer in der deutschen Hauptstadt schnell an wichtige Medikamente gelangen möchte, für den werden die Wege weiter. Seit 2013 hat sich die Zahl verfügbarer Apotheken in Berlin um fast 17 Prozent verringert, während die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um etwas mehr als neun Prozent gewachsen ist. Das geht aus aktuellen Zahlen der Senatsverwaltung für Gesundheit vor.
Wie sich nach Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zeigt, gibt es berlinweit keinen Bezirk, der nicht vom Apothekensterben betroffen ist. Zwischen 2014 und 2023 haben demnach Charlottenburg-Wilmersdorf mit 22 Filialen, Mitte mit 19 Filialen sowie Pankow und Lichtenberg mit 16 Filialen die meisten Apotheken einbüßen müssen. Allein in Charlottenburg-Wilmersdorf schlossen im vergangenen Jahr vier Standorte. Trotzdem steht der Bezirk mit 91 Apotheken noch am besten da.
»Die einzelnen Bezirke sind von unterschiedlichen Punkten aus gestartet«, sagt der Linke-Abgeordnete und Anfragesteller Kristian Ronneburg zu »nd«. »Man sieht da schon ein soziales Gefälle.« Auch wenn die Zahlen in allen Bezirken kontinuierlich zurückgingen, befinden sich manche auf einem ganz anderen Niveau. Die wenigsten Apotheken gibt es derzeit in Reinickendorf (43), Spandau (44) und Lichtenberg (45). Knapp dahinter folgt Marzahn-Hellersdorf mit nur 46 Filialen.
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Berlins Senat sieht sich der Entwicklung gegenüber weitestgehend machtlos. Die Gründung oder Schließung einer Apotheke sei eine »alleinige unternehmerische Entscheidung« des Betreibenden, teilt die Gesundheitsverwaltung mit. Sie verweist darauf, dass die Niederlassungsfreiheit für Apotheker*innen verfassungsrechtlich festgeschrieben ist. Über konkrete Schließungsgründe lägen dem Senat keine Erkenntnisse vor. »Allgemein lässt sich jedoch vermuten, dass in erster Linie betriebswirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen dürften.«
Seit 2013 ist das rechtlich vorgegebene und auf Arzneipackungen bezogene Apothekenhonorar nicht mehr erhöht, zwischenzeitlich sogar für zwei Jahre gesenkt worden. Gleichzeitig gehen die erhöhte Inflation und der Fachkräftemangel auch an Apotheker*innen nicht spurlos vorbei. Hinzu kommen Lieferengpässe, zunehmende Dokumentationspflichten, Herausforderungen bei der Digitalisierung und Konkurrenz durch den Versandhandel mit Arzneimitteln.
Ebendiese Thesen des Senats bestätigt der Berliner Apotheker-Verein gegenüber »nd«. »Wenn die Kostenseite steigt und die Einnahmenseite immer gleich bleibt, ist es nur logisch, dass das zu Problemen führt«, sagt Vereinssprecher Stefan Schmidt. Apothekenbetreiber*innen verdienten mittlerweile weniger als im Angestelltenverhältnis, für das sich folgerichtig immer mehr Inhaber*innen entschieden. Das Apothekenhonorar müsse endlich an die Preisentwicklung der vergangenen Jahre angepasst werden, fordert die Interessensvertretung den Bund auf.
»Im täglichen Betrieb übernehmen Apotheken viele Gemeinwohlleistungen, die eigentlich nicht wirtschaftlich sind«, argumentiert Schmidt. Gegenmittel für Vergiftungsfälle und sonstige Medikamente würden für seltene Fälle aufbewahrt, Personal für Notdienste bereitgestellt. »Die Gesellschaft muss das mittragen.« Während die Zahl der Apotheken sinke, steige die der Menschen mit chronischen Erkrankungen, warnt Schmidt.
Sowohl im bundesweiten als auch im EU-Vergleich ist die Lage in der deutschen Hauptstadt besonders prekär: Angaben der Bundesvereinigung Deutsche Apothekerverbände zufolge kommen in Berlin 19 Apotheken auf 100 000 Einwohner*innen. Im Bundesschnitt sind es 22, im europäischen sogar 32.
Linke-Politiker Ronneburg akzeptiert nicht, dass der Senat machtlos sein soll. »Der Senat muss die Zukunft der Apotheken genauso ins Zentrum seiner Infrastrukturpolitik rücken wie die der Arztpraxen«, fordert er. Für eine Honorarerhöhung müsse Schwarz-Rot mehr Druck auf den Bund aufbauen – und in Berlin selbst die Voraussetzungen schaffen. »Der Senat ist derjenige, der dafür sorgen muss, dass auch genügend Gewerbefläche vorhanden ist.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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