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Ein hungriger Magen lernt nicht gern
Andreas Fritsche verlangt warmes Mittagessen für alle Schüler
Als ich ein Schulkind war – und das ist mehr als 40 Jahre her – mussten meine Eltern für die Schulspeisung nur ein paar Groschen bezahlen. Wir hatten nie viel Geld, aber dafür hat es immer gereicht. Die Mahlzeiten schmeckten nicht ausnahmslos gut. Aber ich war dazu erzogen, zu essen, was auf den Tisch kommt. Es herrschte keine Not mehr. Wir Kinder hatten keine Hungerjahre erlebt. Doch in der Familie war die Erinnerung daran noch präsent. Das Schulessen kostete also anders als heute in Berlin etwas. Doch es kostete nicht so unverschämt viel wie derzeit in Brandenburg. Kein Kind musste hungrig im Unterricht sitzen. Das war in einem Staat, den es nicht mehr gibt.
Nicht von ungefähr traf Brandenburgs Linke mit ihrer Volksinitiative »Schule satt« einen Nerv. Nicht von ungefähr beteiligten sich sich Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft der Lehrer und Erzieher gern. Es war nicht schwer, Brandenburger davon zu überzeugen, für ein kostenloses Mittagessen an den Grundschulen zu unterschreiben. Ich habe in Ludwigsfelde beim Haustürwahlkampf des Landtagskandidaten Tobias Lübbert (Linke) beobachten können: Menschen haben für die Volksinitiative unterzeichnet, die wahrscheinlich am Sonntag eine andere Partei wählen werden – eine Partei, die sich nicht so für hungrige Kinder einsetzt.
Ein voller Magen arbeitet nicht gern, sagt der Volksmund. Aber ein hungriger Magen lernt nicht konzentriert. Es ist eine Zumutung, dass so etwas zugelassen wird. Die Linke hilft den Kindern. Ob ihr das hilft, am Sonntag die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, ist noch die Frage. Besser wäre es, wenn es im Landtag auch künftig eine Fraktion gibt, die bei diesem wichtigen Thema nicht locker lässt.
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