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Schulessenchaos in Berlin: Kampf um den Mampf
Senat weist Verantwortung für Chaos um Schulessen von sich
Die Schüler der Trelleborg-Grundschule in Pankow fanden am vergangenen Freitagmittag eine Überraschung vor sich: Statt des angekündigten »Kokos-Gemüse-Currys mit Bio-Linsen, Bio-Karotte, Bio-Sellerie und Bio-Brokkoli, dazu Bio-Vollkornreis« wurde ihnen ein weniger gesundes Mittagessen serviert: Pizza. Die fettige Spezialität wurde ihnen auch nicht wie üblich auf Porzellantellern, sondern in den charakteristischen Lieferdienst-Pappkartons aufgetischt.
Was war geschehen? Eigentlich sollte an diesem Tag ein Caterer die 500 Schüler der Trelleborg-Schule wie üblich mit vorgekochtem Mittagessen beliefern. Doch kurz vor Mittag erhielt Schulleiter Ralph Langer einen Anruf, dass die Lieferung ausfallen werde. Also disponierte das Schulpersonal zügig um: Bei zwei naheliegenden Lieferdiensten wurden 180 Pizzen bestellt, Hausmeister und andere Helfer holten das Fast Food mit Autos ab. Die Kosten für die Hauruckaktion in Höhe von 2000 Euro will das Cateringunternehmen übernehmen. So berichtet es Langer gegenüber »T-Online«. Wie groß – oder klein – die Enttäuschung der Schüler über die spontane Speiseplanänderung war, ist nicht bekannt.
Zu derartigen Vorfällen kam es zuletzt vermehrt in ganz Berlin. Seit Schuljahresbeginn häufen sich die Berichte über ausfallende Schulessenslieferungen und andere Probleme beim Schul-Catering: Mal sollen angeschimmelte Produkte geliefert worden sein, andere Male noch gefrorene. Insgesamt berichteten mehr als 100 Berliner Schulen seit Schuljahresbeginn in der vergangenen Woche von Problemen bei der Essensversorgung.
Tatsächlich gehen alle Vorfälle auf einen einzigen Caterer zurück: »40 Seconds Kids«. Allein 50 Schulen in sechs Bezirken erhielten am Dienstag kein Essen von dem Dienstleister, schon in den Tagen zuvor war es immer wieder zu Ausfällen in ähnlicher Größenordnung gekommen. »40 Seconds Kids« ist die Tochterfirma des Catering- und Restaurantunternehmens »40 Seconds«, das unter anderem auch das Sommerfest des Regierenden Bürgermeisters in der vergangenen Woche belieferte. Auch der Bundesvorstand der CDU ließ den Caterer den 70-jährigen Geburtstag der Partei bewirtschaften.
Die Firma rechtfertigte sich – über einen Medienanwalt. »Unsere Mandanten hatten zu wenig Vorlaufzeit, da der endgültige Zuschlag leider erst im Laufe der Sommerferien erfolgen konnte«, sagte Christian-Oliver Moser, Anwalt von »40 Seconds Kids«, der »B.Z.«. Dazu komme, dass das Ordnungsamt eine der zwei Großküchen des Caterers gesperrt habe. Bei einem unangekündigten Besuch hatten die Kontrolleure gekochte Nudeln auf dem Boden der Küche gefunden. Dabei ist diese nur dafür zugelassen, Essen zu portionieren und aufzuwärmen.
»Eigentlich darf das nicht passieren, aber es passiert.«
Lars Bocian (CDU)
bildungspolitischer Sprecher
Die Rechtfertigungsversuche helfen allerdings wenig. Mit Pankow hat bereits der erste Bezirk alle Verträge mit »40 Seconds Kids« zum 20. September gekündigt, wie der »Tagesspiegel« berichtet. Auch andere Bezirke wollen die Verträge mit dem Caterer prüfen. Für die Tage von Mittwoch bis Freitag springt nach Angaben der Senatsbildungsverwaltung ein anderer Caterer ein.
Die Bezirke schließen die Catering-Verträge zwar eigenständig ab, orientieren sich dabei allerdings an einem Mustervergabeverfahren, das die Senatsbildungsverwaltung entworfen hat. Sie hatte das Verfahren zuletzt umgestellt: Statt Caterer nach bereits erbrachten Leistungen auszuwählen, stand ein Musterspeiseplan im Zentrum des Verfahrens. Die potenziellen Caterer sollten einen Plan für 20 Gerichte vorlegen, der sich an Kriterien wie Bezahlbarkeit und Nahrhaftigkeit orientieren sollte. Alle Vorschläge wurden anonymisiert ausgewertet.
In der Folge verloren mehrere große Schulessen-Caterer zahlreiche Verträge. »40 Seconds Kids« dagegen verzehnfachte das Auftragsvolumen: Im vergangenen Jahr hatte der Caterer nur rund 5000 Mittagessen täglich zubereitet – nach Ende des Vergabeverfahrens waren es knapp 50 000. Damit wurde »40 Seconds Kids« über Nacht zum größten Schulessenslieferanten in Berlin. »Meine Mandanten haben sicherlich nicht alles perfekt gemacht. Doch sie sind grundsätzlich in der Lage, alle Schulen ordnungsgemäß zu versorgen«, sagte »40 Seconds«-Anwalt Moser zu der Frage, wie der Caterer das schaffen wolle.
In der Frage, wer für das Chaos verantwortlich ist, schoben sich Senat und Opposition am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gegenseitig die Schuld zu. »Sie müssen sich nicht einbilden, dass es unter Rot-Grün-Rot besser lief«, sagte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Dort sei es bei der letzten Schulessensvergabe zu einer Klagewelle gekommen. Sie beklagte ein »unglaubliches Wirrwarr des Vergabeverfahrens«. »Dieses Problem können wir zukünftig gemeinsam lösen«, sagte Günther-Wünsch und verwies auf die geplante schwarz-rote Verwaltungsreform.
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»Wir brauchen keine Verwaltungsreform, damit Kinder mit warmem Mittagessen versorgt werden«, entgegnete Linke-Bildungsexpertin Franziska Brychcy. »Die Losgröße hätte so gewählt werden müssen, dass alle Caterer in der Lage sind, zuverlässig zu liefern.« Losgröße bezeichnet in diesem Kontext die maximale Zahl von Aufträgen, die ein Caterer erhalten kann. Nun müsse der Senat die Bezirke dabei unterstützen, mit der Situation zurechtzukommen.
»Die Bezirke werden nicht alleingelassen«, antwortete der CDU-Parlamentarier Lars Bocian. Der Senat unterstütze sie mit rechtlicher Beratung. Bocian selbst sieht die Situation offenbar weniger dramatisch. Auch in der Vergangenheit habe es zu Schuljahresbeginn Schwierigkeiten mit dem Catering gegeben. »Das kann mal passieren«, sagte Bocian und schob hinterher: »Eigentlich darf das natürlich nicht passieren, aber es passiert.«
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