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Großbritannien kohlefrei
Labour-Regierung will bei der Stromerzeugung bis 2030 komplett auf fossile Energie verzichten
Im Kraftwerk Ratcliffe-on-Soar, in den englischen Midlands gelegen, wurde am Montag zum letzten Mal Kohlestaub in den Brennkessel geblasen. Fast sechzig Jahre lang hatte man hier Strom produziert, es war eines der größten Kohlekraftwerke des Landes. Ende September hat Ratcliffe den Betrieb eingestellt. Es war das letzte Kohlekraftwerk auf der Insel, und mit seiner Schließung geht eine viel längere Geschichte zu Ende: Erstmals seit dem späten 19. Jahrhundert kommt Großbritannien ganz ohne die schmutzigste Energiequelle aus. »Dies ist ein wichtiger Meilenstein in unserem Rennen für ein saubereres Energiesystem«, sagte Ed Miliband, Minister für Energie und Net Zero.
Großbritannien ist das erste große Industrieland, das sich vollständig von Kohleenergie verabschiedet hat. Das ist umso bemerkenswerter, als es einst das Kohleland par excellence war. 1882 eröffnete der US-amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Edison das weltweit erste Kohlekraftwerk beim Londoner Holborn Viaduct. Mit dem Strom wurden die Straßenlaternen der Hauptstadt zum Leuchten gebracht. Hundert Jahre lang blieb Kohle die dominante Energiequelle und eine der wichtigsten Industrien in Großbritannien. Noch Ende der 1970er Jahre stammte mehr als 70 Prozent der Energie aus Kohlekraftwerken.
Großbritannien setzt seit den 1990ern auf Gas
Der schnelle Abstieg begann in den 1990er Jahren. Großbritannien setzte zunehmend auf Gasenergie, die nicht nur billiger war, sondern auch sauberer. Immer mehr Briten machten sich damals Sorgen um die Luftqualität. Im Jahrzehnt von 1990 bis 2000 machten zahlreiche Kohlekraftwerke dicht, der Anteil der Kohleenergie an der gesamten Stromerzeugung fiel in dieser Zeit von 65 Prozent auf 32 Prozent.
Ein wichtiger Schritt folgte 2008, als das Parlament das Klimawandelgesetz erließ: Als erstes Land verpflichtete sich Großbritannien, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um 60 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. 2019 wurde das Gesetz verschärft, seither ist das Ziel »Net Zero«, also den Ausstoß auf null herunterzufahren.
Kohle wurde nach und nach unrentabel gemacht
Dazu kamen eine Reihe von anderen gesetzlichen Vorstößen, die Kohlekraft immer weniger rentabel machten. Zum Beispiel der carbon price floor, den die Regierung 2013 festlegte. Im Prinzip ist es eine Steuer auf CO2-Emissionen, die der Energiesektor produziert. Auf diese Weise sollten die schmutzigsten Energiequellen verteuert werden, um den Ausbau der sauberen Energie zu fördern. Es funktionierte: In den folgenden Jahren schlossen zehn der größten Kohlekraftwerke. 2016 machte Kohle nur noch neun Prozent der gesamten Energieproduktion aus, 2020 waren es weniger als zwei Prozent. Schließlich setzte die Regierung das Ziel fest, bis Oktober 2024 alle Kohlekraftwerke zu schließen.
Dies hat Großbritannien jetzt erreicht. Nach 142 Jahren der Kohleenergie, in denen geschätzte 4,6 Milliarden Tonnen Kohle verbrannt und 10,4 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft gepumpt wurden, ist die Insel kohlefrei. Ed Matthew vom Klimawandel-Thinktank E3G spricht von einem bedeutsamen Moment. »Es ist richtig, dass Großbritannien, das Land, das als erstes ein Kohlekraftwerk gebaut hat, sich von der Kohlekraft verabschiedet.« Damit zeige das Land »richtige Führungsqualität«, und andere Staaten sollten dem Beispiel folgen.
Erneuerbare Energien mit Rekord
Im Jahr 2023 erreichten die erneuerbaren Energien einen neuen Rekord in Großbritannien: Sie machten 44 Prozent der gesamten Stromproduktion aus – 2010 waren es gerade mal sieben Prozent gewesen. Nur ein Drittel der Energiemischung sind derzeit durch fossile Quellen gedeckt. Die neue Labour-Regierung hat das Ziel ausgegeben, fossile Energie bis 2030 vollständig aus der Stromproduktion zu verbannen.
Unterdessen geht der Vormarsch der sauberen Energie weiter: Laut der Publikation »Carbon Brief«, die sich auf Klimawandel spezialisiert, werden in diesem Jahr 150 Terawattstunden an erneuerbarer Energie produziert, im Vergleich zu 135 Terawattstunden im Jahr 2023. Wenn die Rechnung stimmt, könnte 2024 das erste Jahr werden, in dem erneuerbare Energien für rund die Hälfte der gesamten Stromerzeugung verantwortlich sind.
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