Jacques Palminger und 440 Hertz: Komik überall und nirgends

Das neue Album von Jacques Palminger und 440 Hertz feiert Easy Listening mit gebührendem Ernst

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Musik – Jacques Palminger und 440 Hertz: Komik überall und nirgends

Mit Musik und Humor ist es schwierig manchmal. Ein Song, der im Wesentlichen auf einen Witz baut, wirkt eigentlich nur beim ersten Mal. Wenn man einen Joke wieder und wieder erzählt, wird die Pointe nicht besser. Weil eine Pointe ja immer auch mit Überraschung zu tun hat und so weiter. Nimmt man kabarettartiges (Rainald Grebe, Joint Venture) mal aus, hat sich bewusst humorige Musik gerne mit exzessiver musikalischer Kompliziertheit interessant gemacht (Frank Zappa, Primus, auch Tenacious D). Es muss etwas jenseits des Gags geben, weswegen man das hört. Und bei Zappa und Primus war das todernstes Virtuosengefrickel.

Die Musik, die Jacques Palminger macht, ist auch deswegen sehr schön, weil der Witz in ihr nicht von etwas anderem ergänzt werden muss, damit sie noch funktioniert. Das Komische ist sozusagen überall und nirgends. Es löst sich in der Musik auf. Im Falle von »Der Sehnsucht der Sterne«, dem dritten Album, das Palminger mit dem 440hz Trio aufgenommen hat, ist diese Musik »transzendentale Jazzmusik«, wie der flauschige Minichor des seit dem letzten Album »Spanky und seine Freunde« zum Quintett angewachsenen 440 Hertz-Trios behauptet.

Plattenbau

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»Die Sehnsucht der Sterne« klingt alt, aber nicht alt, wie 70er-Lounge-Jazz heute alt klingt. Sondern sehr nach den 90ern. Da hatte es eine kurze Zeit, in der »Spex«- und »Intro«-Leser*innen sich ernsthaft mit der Musik von James Last und Bert Kaempfert beschäftigten und Bands wie die High Llamas Fahrstuhl-Muzak und Cocktailparty-Soundtracks mit der Musik der Beach Boys und mit Elektronik verbanden.

Easy Listening hat immer dann funktioniert, wenn sich über die Ahnen nicht lustig gemacht wurde, sondern sie mit vollem Ernst gefeiert wurden. Und das 440hz Trio liebt die Musik, die hier gespielt wird, hörbar doll. Flauschiger Lounge-Jazz mit sanfter Orgel und zart wumpernden Bass. Und wirklich schönen Melodien, über die der Chor singt und über die Jacques Palminger in so einem kaputten Conferencier-Modus Texte spricht und allerlei behauptet (»Wir haben dieses Lied geschrieben, um der ganzen Welt zu zeigen, wie schön es ist, Musik zu machen auf der Frequenz der Liebe«). Die Musik klingt latent nach James Last, die Texte aber wollen ins Offene, ins Weltall, bei stetem Rückgriff auf Alltägliches (»Wir glauben nicht an UFOs / Wir glauben an Tartufos«). Die Verbindung von bundesrepublikanischer Gemütlichkeit und melancholischen Swinger-Club-Klängen mit Utopischem und Schwebendem ist schon sehr komisch. BRD-Tristesse trifft auf Sun Ra: »Sun Ra hat uns einen Weg aufgezeigt / wie wir jederzeit der Gravität entfliehen können / Er sagt, das Mögliche ist schon gescheitert / Darum versuchen wir das Unmögliche«. Die Musik so schön wie begrenzt, aber in den Texten wird das Grenzenlose angehimmelt: »Wir springen in ein Fass ohne Boden / das nach oben offen ist / und an den Seiten auch keine Begrenzung hat«. Das ist lustig, aber auch sehr schön.

Jacques Palminger und 440 Hertz: Die Sehnsucht der Sterne (Misitunes/Broken Silence)

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