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Kretschmers Wahl: Die erste von vielen Hürden
Hendrik Lasch über die Kür des Regierungschefs und eine »Zeitenwende« in Sachsen
Man konnte die Steine plumpsen hören, die nicht nur Abgeordneten in Sachsens Landtag an diesem Mittwoch vom Herzen fielen. Der Freistaat versinkt nicht im Chaos, er wird nicht von einem AfD-Mann geführt oder von einem Gernegroß, der Ministerpräsident von Gnaden der Rechtsextremen wäre. Auch Neuwahlen werden nicht fällig. Vielmehr ist auf den ersten Blick alles wie immer: Sachsen hat einen Ministerpräsidenten, selbstverständlich von der CDU.
Und doch ist nichts wie immer. In dem Land, in dem die CDU lange gewohnt war, Dinge ganz allein zu regeln, und es schon als Zumutung empfand, ab 2004 die Macht zu teilen, musste sich Michael Kretschmer nun auf das Experiment einer Minderheitsregierung einlassen und in der Opposition um Unterstützung werben. Sein Wunsch, über Parteigrenzen hinweg zu arbeiten, könnte eine Zäsur bedeuten, zumal damit auch die zur Linken gemeint ist. Die Genossen waren jahrelang stärkste Oppositionskraft, die aber nichts zu melden hatte. Nun schrammten sie haarscharf am Landtags-Aus vorbei – und bestimmen plötzlich mit.
Die spannende Frage ist, wie lange das neue Miteinander hält. Die Wahl des Regierungschefs ist geschafft, nun muss ein Haushalt beschlossen werden. Auch dafür braucht es zehn Stimmen aus der Opposition. Dort pocht man darauf, etwa den Sozialbereich von Kürzungen zu verschonen. Kretschmer sieht dagegen »Konsolidierungsbedarf« im Umfang von einem Zehntel des Etats. Ein hartes Ringen ist zu erwarten. Der CDU-Fraktionschef warnt schon, man lasse sich nicht »am Nasenring durch die Manege ziehen«. Das zeigt: Sachsens Landespolitik hat eine erste Hürde genommen und Neuwahlen vermieden. Aber die Legislaturperiode ist noch lang.
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