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Albrecht Weinberg: Er will es nicht mehr
Shoah-Überlebender Albrecht Weinberg gibt sein Bundesverdienstkreuz zurück
Kurt Julius Goldstein, von der SS zynisch »Judenkönig von Auschwitz« genannt, grübelte: Sollte er das Bundesverdienstkreuz annehmen, das Jahrzehnte vor ihm an der Entrechtung, Enteignung und Ermordung von Juden beteiligte Alt-Nazis wie Hermann Josef Abs, Otto Wolff von Amerongen, Kurt Georg Kiesinger, Heinrich Lübke ... erhalten hatten? Der Shoah-Überlebende und Spanienkämpfer, der 1951 aus der ihm zu braunen Bundesrepublik in die DDR übergesiedelt ist, sagte sich: Ja. Es wird Zeit, dass ein Kommunist diese Auszeichnung erhält. Das war 2005. (Nebenbei bemerkt: 1996 hat ihn Spanien bereits zum Ehrenbürger ernannt.)
Heute würde KJG seinen Orden zurückgeben. Wie jetzt Albrecht Weinberg, ebenfalls Überlebender von Auschwitz und von drei Todesmärschen, befreit von den Briten 1945 in Mittelbau-Dora, einem Buchenwalder Außenlager deutscher Rüstungsindustrie. Die Eltern des 1925 in Ostfriesland Geborenen wurden in Auschwitz ermordet. Er wanderte 1947 mit seiner Schwester Friedel in die USA aus, betrieb dort wie der Vater einst in Deutschland eine Fleischerei. Die Geschwister heirateten nie: die Last der Traumata und das Versprechen nach der Shoah, zusammenzuhalten, aufeinander aufzupassen. Im vergangenen Jahr erschienen auf dem deutschen Buchmarkt seine Memoiren: »Damit die Erinnerung nicht verblasst wie die Nummer auf meinem Arm«.
Was nützen Bücher, was Stolpersteine, wie die vor dem ehemaligen Wohn- und Geschäftshaus der Weinbergs in Rhauderfehn, oder die Benennung einer Straße und eines Gymnasiums nach ihnen? Und was ein Orden, wenn das Land, in dem man geboren ist und das einen ermorden wollte, wieder stramm nach rechts marschiert? Weinberg ist entsetzt über die Kungelei mit Faschisten. Er handelt konsequent. Und weitere werden ihm folgen. Er habe sich 2017 über das Bundesverdienstkreuz gefreut, sagt er: »Nun aber will ich es nicht mehr.«
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