- Politik
- Extreme Rechte
Drohbriefe der »Sturmfront Schleswig-Holstein«
»Wir wissen wo sie wohnen und kennen ihren Partner« – ein Pastor, eine SPD-Politikerin und ein Grünen-Politiker erhalten Drohungen im Namen der AfD
In Schleswig-Holstein sind mehrere Drohschreiben aufgetaucht, die darauf schließen lassen, dass sie aus der rechtsextremen Szene stammen. Als Adressaten wurden der Itzehoer Propst Steffen Paar, die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli, der Fraktionschef der Grünen im Kieler Landtag Lasse Petersdotter sowie der NDR als Sendeanstalt ausgemacht. Alle Betroffenen haben Strafanzeige gestellt. Das Landeskriminalamt ermittelt.
Die Pamphlete wurden mit »Sturmfront Schleswig-Holstein« unterzeichnet – eine dem Verfassungsschutz bislang unbekannte Gruppierung. Dazu wurde das Logo der rechtsnationalen früheren Landvolkbewegung gestellt. Die Urheber der Schreiben bezeichnen sich als patriotischen Untergrund der AfD »mit Unterstützung der Bauernschaft«. Die AfD weist auf Nachfrage jeden Zusammenhang mit den Verfassern der Briefe zurück.
In dem Brief an Paar heißt es: »Wir werden des Volkes Stimme Gehör verschaffen und die Kirche in ihre Schranken weisen.« Außerdem soll mit drohendem Duktus offenbar für Einschüchterung des zivilgesellschaftlichen Engagements und sozialen Handelns durch den homosexuellen Propst sorgen. In dem Drohbrief, den Paars Partner veröffentlicht hat, ist zu lesen: »Denken Sie immer daran: Wir wissen wo sie wohnen und kennen ihren Partner.« Paar reagierte jetzt in Form einer unmissverständlichen Stellungnahme auf der Homepage seiner Kirchengemeinde: »Wir halten zusammen und lassen uns nicht einschüchtern.«
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Für den weltoffen und queer lebenden Paar, der Anfeindungen von Neonazis bereits an seiner vorhergehenden Wirkungsstätte in Sülfeld (Kreis Segeberg) kennengelernt hatte, stellt das aktuelle Drohschreiben eine neue Dimension der Einschüchterung dar, von der er sich nach eigenen Worten jedoch nicht beeindrucken lässt. In Sülfeld stellte sich Paar gegen eine selbst ernannte Gruppe namens »Aryan Circle«, die über einen längeren Zeitraum den 3000-Einwohner-Ort sowie mehrere benachbarte Gemeinden terrorisierte.
Vor zwei Jahren übernahm Paar die Schirmherrschaft für einen friedlichen und bunten CSD-Umzug in der Kleinstadt Kellinghusen, die zu dem für ihn zuständigen Kirchenkreis gehört. Auch deswegen wird der Propst in der Öffentlichkeit und von konservativen Kirchenvertretern bis heute angefeindet. Am Samstag (15.2.) gehört Paar zu den Redner*innen, die in Itzehoe auf einer Demonstration zur Stärkung der Demokratie sprechen soll.
Die Landvolkbewegung, mit der in den Drohschreiben ebenfalls kokettiert wird, war ein vornehmlich von Bauern militant ausgerichteter Zusammenschluss in den späten 1920er Jahren, die sich völkisch und antisemitisch positionierten und mit einem Steuerboykott auflehnten. Viele Landvolk-Aktivisten wechselten im Dritten Reich zur NSDAP. 2020 tauchte das damalige Symbol der Landvolkbewegung bei Bauernprotesten in Schleswig-Holstein wieder auf. Das hatte darauf schnell den Vorwurf der Geschichtsvergessenheit zur Folge.
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.