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Gewaltvolle Politiken
Die Regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben alle ein System geschützt, das Ängste und Leid hervorbringt
Gewalt ist nicht immer offensichtlich. Sie ist nicht nur die Faust, die zuschlägt und Leid hinterlässt. Gewalt hat mehr Formen als ein einzelner körperlicher Angriff von Person zu Person.
Eltern leiden, die sich jeden Tag aufopfern, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen und doch daran scheitern. Kinder leiden daran, dass für die grundlegenden Bedürfnisse nicht genug Geld da ist. Und daran, dass ihnen die Chance verwehrt bleibt, ihren Träumen nachzugehen. Geflüchtete leiden, weil sie ihr Zuhause, ihr Umfeld und oft ihre Familien und Freunde verlieren. Sie fliehen vor Kriegen, vor Armut, vor Zerstörung. Auf dem Fluchtweg begegnet ihnen erneut Gewalt. Durch Grenzen, Lager, Ausgrenzung – und oft sogar den Tod.
Und wer leidet gerade schon nicht unter Ängsten, wie die nächsten Monate, die nächsten Jahre aussehen werden? Angst davor, den Arbeitsplatz zu verlieren. Angst, krank zu werden, weil es keine Reserven gibt, um den nächsten Monat zu überstehen.
Sarah-Lee Heinrich weiß, was Armut bedeutet. Die Ex-Sprecherin der Grünen Jugend ist in einem Hartz-IV-Haushalt aufgewachsen und engagiert sich seit vielen Jahren gegen soziale Ungleichheit. Sie wirbt für klassenbewusste Ökologie und schreibt jeden zweiten Montag im Monat in »nd.Digital« über Alltag und Ampel.
Und ich finde, all dieses Leid ist gewaltvoll. Es ist Gewalt, weil diese Zustände nicht unvermeidbar sind. Weil sie nicht einfach zum Leben dazu gehören. Weil dieses Leid sinnlos ist. Weil es eine Entscheidung ist, ein System aufrecht zu halten, das diese Zustände hervorbringt. Diese Gewalt im Leben vieler Menschen wird von den Regierenden der vergangenen Jahrzehnte nicht nur geduldet, sondern auch aktiv zementiert.
Es sind Regierende, die mit ihren Entscheidungen genau dieses System am Leben halten. Sie reden von Verantwortung und Stabilität, doch ihre Politik verteidigt die Profite der Wenigen, während sie die Mehrheit hängen lässt. Wir sollen den Gürtel enger schnallen, während gleichzeitig Steuern für Vermögende gesenkt und Milliarden an Großkonzerne verschenkt werden. Wir sollen länger und härter arbeiten, über die Grenzen unserer Körper hinweg. Die Arbeitsverträge werden befristet und unsicherer, der Lohn reicht kaum zum Leben. Menschen, die ihr leben lang gearbeitet haben, verbringen das Ende ihres Lebens in Armut.
Die Regierenden der vergangenen Jahrzehnte, ob Rot-Grün, Schwarz-Gelb, Großer Koalition oder Ampel haben nichts dagegen getan, im Gegenteil: Sie haben den Status Quo akzeptiert und verteidigt und damit die Interessen derjenigen vertreten, die ohnehin immer auf der sicheren Seite stehen. Und nicht nur das. Zusätzlich haben sie immer wieder die Schuld auf diejenigen geschoben, die am schwächsten sind. Sie spalten die Gesellschaft, hetzen auf Bürgergeldempfänger und Geflüchtete, die dann mit der gewaltvollen Erfahrung leben müssen, geächtet zu werden. Dass wir uns als Konkurrenten um die letzten Krümel wahrnehmen, ist eine Strategie. Wer sich gegenseitig bekriegt, schließt sich nicht zusammen. Wer ständig ums Überleben kämpfen muss, hat keine Kraft mehr, sich zu wehren.
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