- Kommentare
- Zwangsdienste
Grünen-Idee: Unter Zwang der »Freiheit« dienen
Jana Frielinghaus über die von Grünen-Politiker*innen geforderte Dienstpflicht für alle
Man kann sich ja inzwischen auch bei Linken nicht mehr sicher sein, dass sie die Wehrpflicht ablehnen. Mancher stimmt in eine Rhetorik ein, der zufolge »wir« nun »unsere« Demokratie eben auch durch Aufrüstung verteidigen können müssten. Immer weniger Leute wollen wissen, dass »Freedom and Democracy« noch nie für alle da waren und dass es die Armen sind, die für die Freiheit der Wohlhabenden sterben müssen, wenn Krieg um Einflusssphären geführt wird.
Dass aber Grünen-Politiker nun gleich ein Konzept für einen allgemeinen Zwangsdienst vorlegen, überrascht doch ein wenig. Ähnliches fordern in ihrem Programm nur die Konservativen. FDP und Grüne lehnten das bisher ab. Bundespräsident Steinmeier hatte 2023 auch schon für eine »soziale Dienstpflicht« geworben. Dass all das Formen eines Zwangsdienstes sind, der jenseits des Wehrdienstes laut Artikel 12 des Grundgesetzes aus Gründen untersagt ist, interessiert heute niemanden mehr. Schon gar nicht junge Grünen-Mandatsträger, die ihr Modell in einer Art Neusprech auch noch »Freiheitsdienst« nennen.
Sie wissen genau, dass die weit unter Sozialhilfeniveau liegende Aufwandsentschädigung, die junge Menschen etwa im freiwilligen sozialen Jahr bekommen, dazu einlädt, sie als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Ihre Postulate von der Gesellschaft, der jeder freudig etwas zurückgeben solle, sind deshalb ziemlich verlogen. Margareth Thatcher, britische Vordenkerin des globalen Neoliberalismus, sagte es einst noch ganz offen: So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht. Sie meinte damit, es gebe keine Verpflichtung des Staates gegenüber allen Bürgern, vor allem gegenüber jenen, die durch die kapitalistische Wirtschaftsweise in Not geraten ist.
Ganz so frei heraus sagten das die deutschen Sozialdemokraten der Nullerjahre nicht, aber sie setzten diese Grundhaltung zusammen mit den Grünen mit der Einführung des Hartz-Regimes, mit »Reformen« von Rente und Gesundheitswesen sowie Steuersenkungen für Reiche und Konzerne in Politik um. Das kehrt demnächst noch mal verschärft zurück. Weshalb sollte also irgendjemand verpflichtet sein, einem auf diese Weise entkernten Gemeinwesen etwas »zurückzugeben«, und das auch noch in Form des Dienstes für die Truppe? Freiwillig machen das aus individuell nachvollziehbaren Gründen Tausende, ob als »Bufdis«, FSJler, ehrenamtlich Engagierte oder eben als Soldat*innen. Die grünen Freiheitsdienstlerinnen Schulze und Siekmann aus Bayern möchten dafür sorgen, dass man das künftig nicht mehr selbst entscheiden darf.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.