Das falsche Gejammer

Marine Le Pen hat die Quittung für Veruntreuung in großem Stil bekommen. Dahinter steckt keine politische Intrige, sondern eine unabhängige Justiz

Über sich selbst gestürzt: Marine Le Pen – hier im TV-Gespräch nach ihrer Verurteilung – kann nicht mehr Präsidentin Frankreichs werden.
Über sich selbst gestürzt: Marine Le Pen – hier im TV-Gespräch nach ihrer Verurteilung – kann nicht mehr Präsidentin Frankreichs werden.

Marine Le Pen, die die Europäische Union oder Institutionen allgemein gern als Selbstbedienungsladen abgehobener Eliten beschimpft, hat 4,5 Millionen Euro öffentlicher Gelder in die Taschen ihrer Partei umgelenkt und erklärt sich nun zum Opfer einer politischen Intrige. Dass sie das tut, ist nicht überraschend, aber warum machen so viele Menschen dabei mit? Ja, das Urteil durchkreuzt die Präsidentschaftsambitionen einer Rechtsextremen. Aber dass ihre Partei am Ende sogar davon profitieren könnte, liegt nicht an Richtern, die die Rechtslage anwenden, sondern an der Schwäche ihrer politischen Gegner, die dem Rassemblement national auf einen Nebenschauplatz folgen.

Aber sollen für Le Pen die Gesetze nicht gelten, weil sie sich sonst in Trump’scher Manier als Opfer inszeniert? Hätten die Richter Le Pen aus Angst vor ihrer Kampagne besser nicht bestrafen sollen? In den Mittelpunkt der Debatte gehört nicht das Strafmaß, sondern die Straftat, für die es die Quittung ist: Marine Le Pen hat sich schlimmer verhalten, als sie es dem Establishment vorwirft. Sie stand an der Spitze eines kriminellen Systems, das planmäßig Mittel, die für die parlamentarische Arbeit zur Verfügung gestellt werden, illegal in den Wahlkampf ihrer Partei umgeleitet hat. Und so eine Frau soll Präsidentin werden können? Fand die Le-Pen-Partei vor ein paar Jahren jedenfalls selber nicht. Damals hat sie der Gesetzesverschärfung im Parlament zugestimmt, Veruntreuung mit dem Verlust des passiven Wahlrechts zu ahnden. Das Gejammer soll davon ablenken. Reden wir über das Wesentliche.

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