Wieder ein Journalistensprachrohr

Stefan Kornelius wechselt von der »Süddeutschen Zeitung« auf den Posten des Regierungssprechers

Personalie – Wieder ein Journalistensprachrohr

Schwarz-Rot also wieder. Mit der – überraschend deutlichen – Zustimmung der SPD-Parteimitglieder zum Koalitionsvertrag »Verantwortung für Deutschland« steht nicht nur die Neuauflage des zum Ende der langen GroKo-Jahre unter Angela Merkel einst so ungeliebten Regierungsbündnisses an. Auch CDU-Chef Friedrich Merz, von Merkel kleingehalten und schließlich in die Privatwirtschaft abgewandert, steht nun nichts mehr im Wege, endlich (aus seiner Sicht natürlich) die ganz große Verantwortung zu übernehmen. Anfang kommender Woche sollen ihn die Fraktionen von CDU, CSU und SPD zum Kanzler küren – für den fast 70-Jährigen ist es das erste Regierungsamt überhaupt.

Nur ein Zweckbündnis, das schon vor Regierungsbeginn unter anderem über das Zustandekommen des angepeilten Mindestlohns von 15 Euro gestritten hat, ein, wenn auch an Jahren reifer, aber regierungsunerfahrener Kanzler, eine SPD, die nicht umhin kommen wird, nach der verheerenden Bundestagswahlschlappe mal wieder auf Selbstfindungstrip zu gehen, keine Spur von Aufbruchstimmung – die Voraussetzungen für eine Regierung in derart unruhigen innen- wie außenpolitischen Zeiten könnten wahrlich besser sein. Umso so mehr wird es deshalb darauf ankommen, dass das Erscheinungsbild der Koalition stimmt.

Grundsätzlich ist es dabei nicht nur die Aufgabe der Regierungsmitglieder, möglichst wenig negative bis positive Schlagzeilen zu produzieren. Maßgeblich am öffentlichen Eindruck ist auch der Regierungssprecher beteiligt. Den Regierungskurs und vor allem des Kanzlers Handeln in der Öffentlichkeit gut zu verkaufen, für diesen Job hat Merz Stefan Kornelius auserkoren. Wie viele seiner Vorgänger – etwa Merkels Sprecher Steffen Seibert – wechselt Kornelius dafür direkt aus dem Journalismus in den Regierungsapparat: Aus den Redaktionsräumen der »Süddeutschen Zeitung« (SZ) an die Spitze des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, wo ihm als beamteten Staatssekretär 500 Mitarbeiter unterstehen.

Anstatt wie bei der »SZ« also die Politik zu analysieren und zu hinterfragen, wie es Kornelius seit 1991 als Korrespondent in Bonn und Washington, als stellvertretender Büroleiter in Berlin, Leiter des Ressorts Außenpolitik und zuletzt seit 2021 als Ressortleiter Politik getan hat, wird der 59Jährige künftig selbst seinen Ex-Berufskollegen Auskunft geben müssen. Das Blatt selbst hebt als Verdienste Kornelius’ in seinen mehr als 30 Dienstjahren hervor: »Besonders im Bereich Außen- und Sicherheitspolitik prägte er die Berichterstattung und den Meinungsjournalismus der SZ.«

Eine Frage, die sich dabei stellt: Wie sinnvoll beziehungsweise hilfreich ist ein solcher Seitenwechsel gerade angesichts der veritablen Vertrauenskrise, in der nicht nur die Politik, sondern auch der Journalismus in Teilen der Bevölkerung steckt?  Markus Drescher

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