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Keine Illusionen beim AfD-Parteiverbot
Ein AfD-Verbotsverfahren birgt neben einer einmaligen Chance auch mögliche Fallstricke für Linke
Mit der Hochstufung der AfD als »gesichert rechtsextrem« verfügt der Verfassungsschutz zunächst über mehr nachrichtendienstliche Mittel, um die Partei zu beobachten. Beispielsweise darf er jetzt Informant*innen anwerben und Telefone abhören. Die Einstufung dürfte aber auch zu einem erneuten Abstimmungsversuch über die Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens im Bundestag führen. Dafür spricht vor allem, dass die AfD mit ihrer völkisch-nationalistischen Politik für die Reichen dringend entmachtet gehört.
Ende Januar 2025 hatten einige Abgeordnete eine Entscheidung im Bundestag initiiert, mit der sie das Bundesverfassungsgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD beauftragt hätten. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Ein neuer Anlauf ist bereits in Planung, Befürworter*innen eines Verbotsverfahrens leisten weiterhin Überzeugungsarbeit im Bundestag. Und das ist auch notwendig. Denn: Für den Fall, dass es zu einer Abstimmung kommt, verfügt die AfD im neuen Bundestag bereits über 152 der 630 wahlberechtigten Stimmen. Um den Antrag zu verabschieden, bräuchte es mit einer einfachen Mehrheit mehr Ja- als Nein-Stimmen, da Enthaltungen nicht mitgezählt werden. Die Einstufung durch den Verfassungsschutz dürfte dazu beitragen, dass auch bürgerliche Bundestagsmitglieder nun eher bereit sind, dem Antrag auf Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht zuzustimmen.
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Ein Verbot wird jedoch nichts an den Gründen ändern, aus denen AfD-Wähler*innen bisher der Partei ihre Stimme gaben. Und auch die rechtsextreme Politik der AfD würde im Falle eines Verbots nicht aus dem deutschen Parteienspektrum verschwinden. Stattdessen können sich die anderen Parteien, darunter die zukünftigen Regierungsparteien mit ihrem aktuell menschenrechtlich fragwürdigen Koalitionsvertrag, mit Verweis auf die »gesichert rechtsextreme« AfD oberflächlich von ihr distanzieren und werden gleichzeitig eine rechte Politik verfolgen. Das taten sie wohlgemerkt auch schon vor der AfD.
Ein sehr wichtiger Effekt, der für die Einleitung eines AfD-Verbotsverfahrens spricht, ist allerdings die Notwendigkeit, der AfD die Finanzierung zu streichen und sie damit massiv zu schwächen. Denn eine rechte Partei weniger ist besser als keine rechte Partei weniger. Das gilt insbesondere mit Blick auf die düstere Aussicht auf die Bundestagswahl 2029 und mit dem Wissen, dass ein Parteiverbotsverfahren immer schwieriger wird, je mehr politische und administrative Macht die AfD ausübt.
Trotz der besseren Aussichten auf ein Verbot durch die Einstufung als »gesichert rechtsextrem« ist der bürgerlichen Verwendung des Extremismus-Begriffs mit Skepsis zu begegnen. Er richtet sich nicht nur gegen Rechte, sondern auch und vor allem gegen Linke: Es handelt sich um ein politisches Instrument, das unter Berufung auf die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« nicht nur gegen reaktionärere, sondern auch progressive politische Bewegungen eingesetzt wird.
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