Kirche muss politisch sein

Katja Spigiel über Aufgaben von Christen und Irrtümer von Julia Klöckner

  • Katja Spigiel
  • Lesedauer: 2 Min.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat jüngst gegen die politische Haltung der Kirchen polemisiert. In Hannover war sie trotzdem eingeladen.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat jüngst gegen die politische Haltung der Kirchen polemisiert. In Hannover war sie trotzdem eingeladen.

Kürzlich hat Bundestagspräsidentin Julia Klöckner den Kirchen nahegelegt, der Politik nur »sinnhafte Begleitung« zu bieten und sich ansonsten aus deren Belangen rauszuhalten. Wie schief diese Forderung der CDU-Politikerin ist, zeigt sich deutlich auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover.

Dass es dort politisch heiß hergeht, ist mit Blick auf das Programm und die vielen prominenten Gäste aus der Politik völlig klar. Krieg und Frieden, Migration, Rassismus, queeres Leben, der Umgang der Kirche mit sexueller Gewalt und Machtmissbrauch – um nur einige Themen zu nennen. Die Tage haben etwas von einem friedlichen Sommer-Volksfest für Groß und Klein und zugleich von einem politischen Bootcamp, in dem die Kirche ihre Positionen austariert.

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Die Schieflage einer unpolitisch gewünschten Kirche zeigt sich vor allem, wenn man bedenkt, wie der Kirchentag entstanden ist: Als Antwort von Protestant*innen, die frustriert waren vom fehlenden Widerstand ihrer Glaubensgemeinschaft in der NS-Zeit. Auch in den Jahrzehnten danach blieben die Treffen politisch – sei es in den 60er-Jahren mit Diskussionen zum Vietnamkrieg oder in den 80ern, als der Protest gegen atomare Aufrüstung das Geschehen bestimmte.

Der Kirchentag galt lange als pazifistischer Raum. Hier gerät aber etwas ins Rutschen, wenn in Veranstaltungen nach der »deutschen Zerrissenheit« gefragt wird. Die dürfte wohl auch die Zerrissenheit der Kirche sein, wenn sie sich fragt, ob man mit Waffen Frieden schaffen soll. Gerade mit dem Motto des laufenden Kirchentages »mutig – stark – beherzt« im Hinterkopf und angesichts einer Welt, die ächzt und stöhnt vor Gewalt und Krieg sollte die Kirche ihre pazifistische Stimme nicht verlieren, sondern im Gegenteil: ihre Lautstärke aufdrehen.

»Wenn Kirche manchmal zu beliebig wird, oder zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgibt [...], dann wird sie leider auch austauschbar«, meint Julia Klöckner. Dass sie sich auch hierbei täuscht, zeigt eine ziemlich tagesaktuelle Meldung, die während des Kirchentages auf vielen Handys aufgeploppt sein dürfte: Der Verfassungsschutz stuft die AfD als »gesichert rechtsextrem« ein. Die Partei war ausdrücklich nicht eingeladen auf dem Kirchentag. Eine offenbar sehr richtige Entscheidung. Dass Klöckner vor der Bundestagswahl in einem später von ihr gelöschten Instagram-Beitrag für die CDU als Alternative zur AfD geworben hat, sollte ihr nun umso peinlicher sein.

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