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PKK vor der Selbstauflösung
Kurdische Arbeiterpartei hält Konferenz von »historischer Bedeutung« ab
Der eingeleitete Friedensprozess in der Türkei nimmt immer konkretere Formen an. Am Freitag hat die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bekannt gegeben, man habe Anfang der Woche einen Parteikongress abgehalten. Konkrete Ergebnisse wurden bislang noch nicht veröffentlicht.
Der PKK-Gründer Abdullah Öcalan, der seit 1999 in der Türkei inhaftiert ist, hatte die Partei im Februar zu einem Kongress aufgerufen und die Waffenniederlegung und die Auflösung der Organisation zu beschließen. Allerdings war unklar, wann und in welcher Form dieser Kongress stattfinden soll. Zum einen ist der letzte PKK-Kongress über zehn Jahre her, seitdem war nach Angaben der Organisation aufgrund der anhaltenden Kriegssituation mit der Türkei aus Sicherheitsgründen kein Zusammenkommen möglich gewesen. Zum anderen hatte die Partei-Führung, die sich in den nordirakischen Kandil-Bergen aufhält, immer wieder gefordert, dass auch Öcalan in irgendeiner Form an dem Kongress teilnehmen können muss.
Öcalan-Beschlüsse auf Konferenz abgesegnet
Darüber scheint man sich mit der türkischen Regierung einig geworden zu sein. Am Freitag hieß es vonseiten der PKK, man habe Vorschläge und Perspektiven Öcalans gelesen und diskutiert. Die pro-kurdische DEM-Partei sprach sogar von »technischen Mittel«, mit denen der 76-jährige am Kongress habe teilnehmen können. Die Beschlüsse des Kongresses seien auf der Grundlage des Aufrufs von Öcalan getroffen worden. Diese seien von »historischer Bedeutung« für die Arbeit der PKK. Es scheint also höchstwahrscheinlich, dass dem Aufruf zur Entwaffnung und Auflösung vonseiten der PKK gefolgt worden ist.
In den letzten Wochen war es zunächst immer wieder unklar gewesen, wie es mit dem Prozess zwischen PKK, DEM-Partei und türkischer Regierung weitergehen würde. Ein Großteil der Gespräche zwischen der DEM-Partei mit Öcalan, aber auch mit dem türkischen Präsidenten waren zwar mit optimistischen Statements beendet worden, konkrete Details wurden aber nicht öffentlich. Auch der Tod Sirri Surreya Önders, einem zentralen Kopf der Gespräche, infolge eines plötzlichen und schweren Herzleidens, hatten einen Schatten auf den Prozess geworfen und Spekulationen ausgelöst.
Kongress Beweis für Gespräche mit der Regierung
Dass der Kongress abgehalten wurde, dürfte aber Beleg dafür sein, dass der Prozess und die Gespräche auch außerhalb des öffentlichen Rahmens weitergeführt wurden. Immer wieder hatte die PKK betont, Entwaffnung und Auflösung seien nicht möglich, solange es keine substanziellen Veränderungen gebe. Daher war unter anderem das Treffen der DEM-Partei mit dem türkischen Justizminister mit Spannung erwartet worden. Eine zentrale Forderung der kurdischen Seite war neben besseren Haftbedingungen und Kommunikation mit Öcalan auch eine Verbesserung der Lage der zehntausenden politischen Gefangenen gewesen. Öffentliche Erklärungen zu konkreten Schritten blieben aber auch hier aus.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan begrüßte die Mitteilung der PKK, dem Land stünden gute Nachrichten bevor. Zudem rief er zu gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. Die DEM-Partei äußerte sich umfassender. Man stehe an einer der wichtigsten Schwellen der jüngeren Geschichte der Türkei. Man danke Öcalan, aber auch dem MHP-Vorsitzenden Devlet Bahçeli, Erdoğan und den Oppositionsparteien, die den Prozess unterstützten. Tatsächlich hatten sich auch in den letzten Tagen die Vorsitzenden der Regierungs- und Oppositionsparteien einhellig für den Prozess ausgesprochen.
Kurden fordern Zugeständnisse von Ankara für Frieden
Wie es mit den Verhandlungen weitergeht, ist noch nicht eindeutig abzusehen und wird maßgeblich davon abhängen, was die PKK als Ergebnisse ihres Kongresses präsentiert. Sowohl die Frage danach, wie und an wen die PKK ihre Waffen abgeben soll, als auch die Frage, was mit den Mitgliedern und Kämpfern der Organisation passieren soll, bleiben bislang unbeantwortet. Neben diesen technischen Fragen steht vor allem auch die Frage nach einer tatsächlichen gesellschaftlichen Aussöhnung im Raum. Wie die türkische und kurdische Gesellschaft nach über 40 Jahren der kriegerischen Auseinandersetzung und teils tiefsitzendem gesellschaftlichen Misstrauen zusammenfinden können.
In den kurdischen Gebieten scheinen die Vorbereitungen darauf bereits zu laufen. In mehreren kurdischen Städten gründeten sich auf Initiative der DEM-Partei sogenannte »Initiativen zur demokratischen Einheit« gegründet. Auch in den letzten Reden Erdoğans hatte dieser immer wieder einen Fokus auf die Einheit der verschiedenen Völker innerhalb der Türkei gelegt. Sowohl DEM-Partei als auch die PKK hatten immer betont, dass für einen langanhaltenden Frieden Zugeständnisse bis hin zu einer Demokratisierung der Türkei nötig seien.
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