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Brandenburgs Innenministerin tritt zurück
Katrin Lange (SPD) reagiert auf Vorwürfe nach Ablösung von Verfassungsschutzchef
Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) ist am Freitag zurückgetreten. Von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erhielt sie gegen 17.45 Uhr vor laufenden Kameras ihre Entlassungsurkunde. Die beiden Politiker hätten diesen formalen Akt beinahe vergessen und wollten schon gehen, nachdem Katrin Lange eine kurze Erklärung abgab und Woidke anschließend ein paar Worte sagte. Nachfragen wollten sie nicht beantworten, reagierten auch nicht auf die Zurufe von Journalisten, die wissen wollten, wer nun einstweilen das Innenministerium leite.
Zuletzt hatte Lange ihren Rückhalt sogar in der eigenen Partei verloren. Am 6. Mai hatte sie völlig überraschend Verfassungsschutzchef Jörg Müller abgesägt. Begründung: Er habe sie erst am 5. Mai darüber informiert, dass der Geheimdienst den AfD-Landesverband bereits am 14. April vom Verdachtsfall in die Kategorie gesichert rechtsextremistisch hochstufte. Doch an dieser Version gibt es Zweifel.
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»Wir sind der Überzeugung, sollte Ministerin Lange an ihrer bisherigen, unzureichenden Begründung für ihre Entscheidung festhalten, ist es unausweichlich, dass die SPD-Landtagsfraktion ihr das Vertrauen entzieht«, hatte der Juso-Landesvorsitzende Leonel Richy Andicene am Donnerstag erklärt. Die Jusos der Stadt Potsdam waren fast zeitgleich schon einen Schritt weiter gegangen und hatte den Rücktritt der Ministerin gefordert, die wegen ihrer migrations- und innenpolitischen Positionen schon in den vergangenen Monaten massiv Vertrauen verloren habe.
Lange wird verdächtigt, mit der Hochstufung der AfD nicht einverstanden zu sein. Am Freitag sagte sie, die AfD sei »gesichert rechtsextrem«. Doch sie wolle ein Drittel der Wähler in Brandenburg, die früher etwa auch die SPD angekreuzt haben, »nicht abschreiben«. Denn das sei ein »Irrweg«. Sie gehöre jedoch leider mit ihrer Auffassung in der Politik inzwischen zu einer Minderheit. Die Mehrheit sei für »Parteiverbot, Überwachung, Repression und Ausgrenzung« und gebe damit die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD schon verloren. Das halte sie für falsch, sagte Lange. »Ich lasse mich nicht verbiegen«, bemerkte sie trotzig. Ihr seien die unmöglichsten Dinge unterstellt worden. Grüne und Linke hätten Stimmung gegen sie gemacht. Niederträchtig sei es von den Linken, dass diese eigentlich den Verfassungsschutz abschaffen wollen, aber den Geheimdienst und Jörg Müller nun verteidigten.
Sie habe sich von Jörg Müller hintergangen gefühlt. Die Aktenvermerke dazu geben Lange zufolge nicht den tatsächlichen Ablauf wieder. Der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock hatte nur Stunden zuvor mitgeteilt, dass er nun seinerseits Akteneinsicht beantragt habe, die dem Landtagsabgeordneten Rainer Genilke (CDU) schon verwehrt worden sei. Clemens Rostock erklärte: »Standardisierte Abläufe im Ministerium sowie Hinweise darauf, dass Verfassungsschutzbehörden anderer Bundesländer bereits früher informiert waren, legen nahe, dass Frau Lange schon deutlich früher Bescheid wusste.«
Lange begründete am Freitag ihren Rücktritt sichtlich bewegt und den Tränen nahe damit, dass die Koalition mit dem BSW vor großen Herausforderungen stehe und Geschlossenheit brauche. Da wolle sie nicht im Wege stehen. Landtagsabgeordnete wolle sie bleiben und als solche kosntruktiv und kritisch mitarbeiten. Als stellvertretende SPD-Landesvorsitzende werde sie selbstverständlich nicht wieder kandidieren.
»Ich lasse mich nicht verbiegen!«
Katrin Lange Ex-Innenministerin
»Ich habe diese Entscheidung respektiert«, sagte Ministerpräsident Woidke, der zugleich SPD-Landesvorsitzender ist. Er wäre froh gewesen, wenn der Rücktritt nicht notwendig gewesen wäre. Lange diene mit ihrem Rückzug dem Land und stelle ihre persönlichen Interessen dafür zurück. Schließlich sei es lange ihr Traum gewesen, Innenministerin zu sein. Katrin Lange war bis 2019 Innenstaatssekretärin und von da ab bis Ende 2024 Finanzministerin – und nun nicht einmal sechs volle Monate Innenministerin.
»Am Ende musste es so kommen«, reagierte Linke-Landeschef Sebastian Walter gegenüber »nd«. Der Rücktritt sei der einzig richtige Schritt. Walter meinte, nun müsste sich Ministerpräsident Woidke beim entlassenen Verfassungsschutzchef Müller entschuldigen und ihn sofort wieder einsetzen.
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