Berlin: Bass-Rebellion gegen den Asphalt

Tausende bei Techno-Demo gegen Ausbau der Autobahn A100

  • Felix Schlosser
  • Lesedauer: 3 Min.
Frostig: Auch dieser Eisbär sträubt sich gegen den geplanten Autobahn-Ausbau
Frostig: Auch dieser Eisbär sträubt sich gegen den geplanten Autobahn-Ausbau

»Welt brennt! Zeit rennt – Politik pennt!«, so steht es auf einem Transparent zu lesen, das am Samstag bei dem Protest »A100 wegbassen« gezeigt wird. Rund um die Elsenstraße am S-Bahnhof Treptower Park haben sich mehrere tausend Menschen versammelt, um bei durchwachsenem Wetter Redebeiträgen gegen den geplanten Ausbau der Stadtautobahn A100 und Techno-Musik zu lauschen. Die Straßen im Umfeld des Bahnhofs gleichen einem bunten Festival. Vor bunte dekorierten Bühnen wird ausgelassen getanzt. Politische Initiativen von Umweltbewegung bis zur Enteignungskampagne informieren an Ständen über ihre Arbeit.

Bereits zum dritten Mal haben Initiativen und Clubs dazu eingeladen, den 17. Bauabschnitts der A100 »wegzubassen«. Dem ersten Aufruf im Jahr 2023 waren rund 7000 Menschen gefolgt. Diesmal sind es mehrere tausend, laut Veranstaltern in der Spitze bis zu 10 000. Die Zusammensetzung der diesjährigen Teilnehmenden ist bunt gemischt: Unter den Protestierenden finden sich Eltern und Kinder, Raver*innen, Umweltaktivist*innen, Schaulustige. Auch der Politiker Julian Schwarze, der für die Grünen im Abgeordnetenhaus sitzt, ist vor Ort. Er engagiert sich schon seit Längerem gegen die A100 und sagt: »Die Demo sendet ein lautes ›Nein‹ an den Bund.« Der Widerstand aus der Zivilgesellschaft sei wichtig und baue Druck auf die Entscheidungsträger im Bund und im Senat auf, endlich die Planungen für den Weiterbau zu stoppen.

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Überall auf der Kundgebung zu sehen sind auch Radfahrer*innen. Insgesamt gab es acht Fahrrad-Zubringer-Demos, unter anderem aus Lichtenberg und Friedrichshain. Die vielen Kinder können allerlei Programm genießen. So gibt es eine Kinderdisco, Spielen auf der Straße, Clownerie und vieles mehr.

Der Ort der Zusammenkunft am Treptower Park ist nicht zufällig gewählt: Dort soll im Juni der 3,2 Kilometer lange 16. Bauabschnitt ab der Grenzallee in Neukölln fertiggestellt werden. Er gilt mit rund 220 000 Euro pro Meter als die teuerste Straße Deutschlands. Der etwa ein Kilometer längere 17. Bauabschnitt, dessen Kostenprognosen sich stetig steigern, soll aktuellen Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums zufolge mit rund 1,8 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Ein Demoteilnehmer, der mit Freundin und dem gemeinsamen Kind zur Demo gekommen ist, bezeichnet die Erweiterung als »verbranntes Geld«.

Der 17. Bauabschnitt, gegen den das Bündnis »A100 wegbassen« jetzt schon das dritte Jahr in Folge mobil macht, soll die Autobahn vom Treptower Park größtenteils unterirdisch über den Bahnhof Ostkreuz bis zur Storkower Straße weiterführen. Die erneute Verlängerung wurde im Jahr 2016 durch den Bundestag beschlossen. Die in Berlin regierenden Parteien CDU und SPD konnten sich in ihrem Koalitionsvertrag nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Die Verantwortung für den Weiterbau liegt allerdings beim Bund.

Wegen der drohenden Vertreibung zahlreicher auf der Strecke liegender Clubs und Vereine positioniert sich die von dem Bau betroffene Nachbarschaft gegen den Ausbau. Dazu zählen die Clubs »Else«, »about blank«, der Wagenplatz Fips und die gerade erst umgezogene Kulturbar »Zukunft am Ostkreuz«. Eine Mitarbeiterin der »Zukunft« nennt die geplante Autobahnerweiterung einen »unglaublichen Rückschlag«. »Durch unsere politischen Aktionen haben wir gerade erst ein tolles neues Gelände gefunden.« Durch den Weiterbau seien Musik und Subkultur abermals akut gefährdet.

Briti Beneke von der Bürger*inneninitiative A100, die die Proteste mitorganisiert hat, zeigt sich zufrieden. »Ich bin total happy. Die Stimmung ist super! Der Protest zeigt einfach, wie gut diese Riesenstraßenfläche, die sonst nur von Autos dominiert wird und für Fußgänger*innen lebensgefährlich ist, alternativ genutzt werden kann.« Auf die Frage nach weiteren Aktionen berichtet sie, dass ihre »Alltagsarbeit gegen die Autobahn« weitergehen werde. Bis zum frühestens für 2035 geplanten Baubeginn hat sie noch etwas Zeit, weitere Proteste zu organisieren.

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