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Vorkaufsrecht: Neuköllner Novum rettet Mieter
Bezirk schließt erste Abwendungsvereinbarung seit 2021 und schützt Bewohner der »Richibrauni«
Während andere noch bangen müssen, ist in Neukölln ein Novum geglückt. Zwar hat der Bezirk sein Vorkaufsrecht für ein Haus an der Kreuzung von Richard- und Braunschweiger Straße nicht ausgeübt, aber er konnte mit dem neuen Eigentümer eine Abwendungsvereinbarung schließen. Er freue sich sehr über den Abschluss, teilt Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf nd-Anfrage mit. »Ich bedanke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben, zuvorderst bei meinen Kolleg*innen im Stadtentwicklungsamt, die diesen enorm arbeitsintensiven und komplexen Fall bearbeitet haben und ohne deren Einsatz die Prüfung gar nicht möglich gewesen wäre.«
Die Bewohner*innen der »Richibrauni« können jetzt erst mal aufatmen. »Dass das Haus nicht einfach so verkauft werden konnte, sehen wir als Erfolg«, sagt Mieterin Anna Schönberger, zu »nd«. Ganz ungetrübt ist die Freude indes nicht. Die Bewohner*innen hätten sich gewünscht, dass das Vorkaufsrecht tatsächlich ausgeübt und das Haus dauerhaft dem Markt entzogen wird, berichtet Schönberger.
Mit der Abwendungsvereinbarung konnte der Käufer der Immobilie gegen Zugeständnisse verhindern, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht tatsächlich ausübt. Wie Jochen Biedermann sagt, beinhaltet die geschlossene Vereinbarung den Verzicht auf eine Umwandlung in Eigentumswohnungen und auf befristete möblierte Vermietung, den Rückbau von Grundrissveränderungen sowie verringerte Mieten auf Basis der Mietpreisbremse. »Denn mit den illegal, ohne Genehmigung durchgeführten baulichen Veränderungen wurden die Mietpreisbremse umgangen und die Wohnungen überteuert vermietet«, erklärt der Baustadtrat.
Das Neue an dem Vorgang war das Vorgehen des Bezirks. Im Fall der »Richibrauni« stützte sich der Bezirk erstmals auf nicht genehmigte Umbauten in Milieuschutzgebieten, um das Vorkaufsrecht zu begründen. Nach einem folgenschweren Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021 war das bezirkliche Vorkaufsrecht erheblich eingeschränkt und quasi nur noch bei Schrottimmobilien möglich.
»Wir sind überzeugt, dass das eine rechtskonforme Auslegung des Vorkaufsrechts ist, und werden dies auch in Zukunft anwenden, wenn sich ähnliche Fallkonstellationen ergeben«, so Biedermann. Der Baustadtrat ist sich auch sicher, dass es wieder zu solchen Fällen kommen wird, wie er »nd« sagt. »Wir prüfen jeden Verkauf in Milieuschutzgebieten darauf, ob die Kriterien vorliegen.«
Nicht nur diese Herangehensweise war eine Neuigkeit: Die Abwendungsvereinbarung ist die erste, die in Berlin seit dem Urteil 2021 geschlossen wurde. Damit die Bezirke aber nicht nur in Ausnahmefällen das Vorkaufsrecht ausüben können, bräuchte es Reformen auf Bundesebene. Diese wurden auch schon angekündigt. »Um gegen die Mietenkrise in der Stadt wirksam vorgehen zu können, brauchen wir ein starkes Vorkaufsrecht zurück«, so Jochen Biedermann.
Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, Katrin Schmidberger, sagt zu »nd«, das Beispiel der »Richibrauni« zeige, dass Zivilgesellschaft und Politik gemeinsam etwas gegen den Ausverkauf der Stadt bewegen können. Sie fordert ein strukturierteres Vorgehen vom Senat: »Wir brauchen vom Senat eine gemeinwohlorientierte Ankaufstrategie, weil zu viele Häuser in die Spekulationsspirale geraten und Mieter*innen verdrängt werden.«
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