BVG: Krisen­niveau wird fest­ge­schrieben

Die Leistungen der BVG sollen bis 2030 auf dem Niveau von 2024 bleiben

Volle Bahnsteige bleiben bis auf Weiteres Realität bei der BVG.
Volle Bahnsteige bleiben bis auf Weiteres Realität bei der BVG.

»Der Berliner Senat investiert so viel wie noch nie in den Nahverkehr in Berlin. Das ist ein sehr schöner Erfolg«, sagt Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) am Dienstag auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des Berliner Senats. Was so klingt, als weite die BVG in Zukunft ihr Angebot aus, ist aber nur eine Konsolidierung des Ist-Zustands. Der zwischen dem Land Berlin und Verkehrsbetrieben vereinbarte Leistungsumfang soll bis mindestens 2028 konstant bleiben.

Der Verkehrsvertrag mit der BVG regelt, welche Erwartungen das Land an die von den Verkehrsbetrieben erbrachten Leistungen hat und wie diese finanziert werden sollen. Der aktuelle Vertrag wurde 2020 beschlossen und wird im Fünf-Jahres-Rhythmus einer Revision unterzogen. Stand der Vertrag 2020 noch unter dem Leitgedanken »Wachstum und Innovation«, soll es nun um »Stabilität vor Wachstum« gehen.

»Im Gegensatz zu anderen Kommunen denken wir nicht über Abbestellungen nach, sondern wir sichern den Bestand, den wir aktuell haben«, erklärt Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU). Der Senat will 1,3 Milliarden Euro jährlich an die BVG geben, zudem sollen 680 Millionen aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz des Bundes fließen. »Wir stellen der BVG so viele Mittel zur Verfügung, wie ihr noch nie zur Verfügung gestellt worden sind«, sagt Bonde. Dieser finanzielle Rahmen sorge dafür, dass die BVG ihren Stabilisierungskurs weiterfahren und die Leistung auf ein festes Fundament stellen könne.

»Die CDU hat Berlin ins Chaos gestürzt, und die BVG befindet sich seitdem in einer schweren Krise.«

Antje Kapek (Grüne)
Verkehrspolitische Sprecherin

Das Fundament wird stabil, doch das darauf aufbauende Leistungsniveau liegt unterhalb dessen, was 2020 vereinbart wurde. Es soll nun auf dem Level des Krisenjahres 2024 festgeschrieben werden. Damals wurden die 2020 vereinbarten Leistungen unterschritten. Fahrermangel, aber auch Probleme mit der Flotte machen dem landeseigenen Unternehmen noch immer zu schaffen. BVG-intern waren die Pläne im Groben schon länger bekannt. Bereits im Oktober 2024 wurde auf einer internen Veranstaltung der reduzierte Leistungsumfang angekündigt.

Spätestens ab 2030 sollen die Leistungen der BVG um 2,3 Prozent steigen – ab 2031 noch mal um 0,75 Prozent. Allerdings wird das nicht bei U- und Straßenbahnen passieren. »Insbesondere der Busbereich wird in den Fokus genommen werden«, so Bonde. Bei U-Bahn und Straßenbahn fahre man schon einen hohen Takt. Für eine höhere Taktung sei eine Teilautomatisierung notwendig. Deswegen sei dort das Potenzial für Leistungsaufwüchse nicht gegeben. Für den Busverkehr stellt die Verkehrssenatorin schon ab 2028 mögliche Verbesserungen in Aussicht. Denn 2027 sollen zwei Busbetriebshöfe in Betrieb gehen. »Das ist Voraussetzung dafür, dass wir zu Wachstum kommen können«, so Bonde.

Bis 2035 soll die BVG außerdem »vollständig dekarbonisiert« werden, wie Senatorin Bonde erklärt. Das bedeute aber nicht, dass die BVG vollständig auf E-Mobilität umstelle. An dem Ziel wolle man dennoch festhalten. Neben E-Mobilität werde »das berühmte Frittenfett« als alternative Antriebsform getestet, außerdem spiele Wasserstoff immer eine Rolle.

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Die Revision des Verkehrsvertrages sorgt für Kritik aus Opposition und Verbänden. »Mit dieser Revision des Verkehrsvertrags schreibt Senatorin Bonde die Krise der BVG fort, sie zementiert sie für die nächsten Jahre«, so Kristian Ronneburg, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus zu »nd«. Berlin wachse, dafür brauche es mehr Leistung bei der BVG – qualitativ wie quantitativ. »Senatorin Bonde und die CDU machen jedoch beim öffentlichen Nahverkehr Politik nach Kassenlage, völlig ambitionslos und uninteressiert an den Fahrgästen dieser Stadt«, kritisiert Ronneburg.

»Berlin hat ein großartiges Netz von Bus und Bahn, um das uns die ganze Welt beneidet. Doch die CDU hat Berlin ins Chaos gestürzt, und die BVG befindet sich seitdem in einer schweren Krise«, erklärt Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion. Mit der Revision des Verkehrsvertrages werde die Krise auf Dauer festgeschrieben. »Das ohnehin schon deutlich reduzierte Angebot von Bus und Bahn soll auf dem Niveau des absoluten Krisenjahres 2024 nun noch deutlich länger als ohnehin schon geplant verlängert werden. Das ist ein Skandal.«

Auch der Umweltverband BUND kritisiert den Verkehrsvertrag. Ute Bonde lasse bei der überlasteten BVG das unzureichende Angebot des Krisenjahres 2024 bis 2030 zementieren, so BUND-Verkehrsexpertin Katharina Wolf. »Das BVG-Angebot muss dringend ausgebaut werden, damit alle Berlinerinnen und Berliner unabhängig vom Einkommen gut durch die Stadt kommen.«

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