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René Wilke: Neuer Minister und alte Probleme

René Wilke kann an der knappen Mehrheit von SPD und BSW nichts ändern, nur Ruhe hereinbringen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Bei der Frisur ist man sich schon einig: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (r.) am Montag bei der Vorstellung des künftigen Innenministers René Wilke (l.)
Bei der Frisur ist man sich schon einig: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (r.) am Montag bei der Vorstellung des künftigen Innenministers René Wilke (l.)

So schnell kann das gehen. Gerade noch wurden Wetten abgeschlossen, wie viele Wochen es maximal noch dauern kann, bis die Tage der SPD-BSW-Koalition in Brandenburg gezählt sind. Da hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) mit René Wilke den parteilosen Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) als neuen Innenminister präsentiert – und schon scheint alles wieder in bester Ordnung zu sein.

Dass die SPD einen Parteilosen zum Minister macht, hat es bereits mehrfach gegeben. Schulleiter Holger Rupprecht wurde 2004 Bildungsminister, die Potsdamer Universitätspräsidentin Sabine Kunst 2011 Wissenschaftsministerin und Jörg Steinbach von der Technischen Universität Cottbus-Senftenberg 2018 Wirtschaftsminister. Alle drei traten der SPD erst später bei und machten ihre Sache gut.

René Wilke, der am Donnerstag als neuer Innenminister vereidigt werden soll, war bis 2018 Landtagsabgeordneter und 2024 aus der Linken ausgetreten. Er hat eine herausstechende Eigenschaft, die Politiker immer gebrauchen können und leider viel zu selten haben: Er ist sympathisch. Er versteht es ausgezeichnet, Menschen für sich einzunehmen und für eine Sache zu begeistern. Wilke ist das komplette Gegenteil eines harten Hundes. Das waren in Brandenburg in der Vergangenheit Innenminister wie Jörg Schönbohm (CDU) und Karl-Heinz Schröter (SPD). Die sorgten regelmäßig mit provozierenden Äußerungen für Schlagzeilen. Aber noch mehr Aufregung in ohnehin schon turbulenten Zeiten kann die Landesregierung gerade nicht gebrauchen.

Etwas gegen Widerstände konsequent durchzukämpfen, ist nicht unbedingt die Stärke von Wilke. Er überwindet Widerstände, indem er mit angenehmer Stimme und verbindlichem Lächeln für pragmatische Lösungen und annehmbare Kompromisse wirbt. So kommt es, dass ihn viele mögen, obwohl er niemandem nach dem Munde redet.

Knappe Mehrheit wackelt weiter

BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders erinnert sich lobend, dass Wilke einst den Umgang mit Sahra Wagenknecht in der Linken kritisierte – wenngleich Wilke damals hinzugefügt hatte, dass er Wagenknechts Ansichten nicht teile. Dass der Oberbürgermeister Waffenlieferungen indirekt befürwortete und deshalb die Linke verließ, ist eine Sache, über die sich Wilke und Lüders noch unterhalten müssen.

Nicht von ungefähr merkt CDU-Fraktionschef Jan Redmann zu der Personalie Wilke an: »Seine klare Haltung zum Krieg in der Ukraine und seine deutlichen Worte zum völkerrechtswidrigen Angriff Russlands zeugen von Gradlinigkeit, die er sich im Kabinett bewahren muss.«

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Dass Wilke zur Belastung für die Koalition wird, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Wenn die knappe Landtagsmehrheit der Koalition von zwei Stimmen auf tönernen Füßen steht, dann liegt das an dem BSW-Abgeordneten Sven Hornauf. Er stellte schon mehrfach unter Beweis, dass ihm die Koalitionsdisziplin bei Abstimmungen im Zweifelsfall nicht heilig ist. Eine Wackelkandidatin ist künftig vielleicht auch die am Freitag zurückgetretene Innenministerin Katrin Lange (SPD), die Landtagsabgeordnete bleibt und ihre ganz eigenen Ansichten vertritt.

Wenig Interesse an einer Neuwahl

Stabilisierend dürfte wirken, dass kaum jemand im Landtag Interesse an Neuwahlen hat. SPD, CDU und BSW dürften ihr Ergebnis von September 2024 unter den gegenwärtigen Bedingungen kaum verbessern.

Aber die schon totgesagte Linke meldete sich bei der Bundestagswahl im Februar mit einem deutlichen Lebenszeichen zurück und würde den Sprung in den Landtag in zweiten Anlauf voraussichtlich schaffen. Zehn von 88 Sitzen im Landtag könnte sie erobern – auf Kosten der vier Parteien, die dort gegenwärtig unter sich sind. Bei den Grünen ist es weniger wahrscheinlich, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde jetzt wieder überspringen würden, aber ausgeschlossen ist es nicht. Das wären dann noch einmal fünf bis sechs Mandate aus dem zu verteilenden Kuchen. Die AfD könnte zwar stärker abschneiden als im September, aber am Ende auch keine größere Fraktion haben. Außerdem ist es bei der AfD unsicher, wer wo nominiert wird und einen Wahlkreis gewinnt. Wer einmal drin ist im Parlament, hat ein persönliches Interesse, seine satten Einkünfte und Versorgungsansprüche nicht vorzeitig aufs Spiel zu setzen. Wer glaubt, dass Politiker Idealisten sind, die daran keinen Gedanken verschwenden, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.

Frankfurt (Oder) hat nun ein Problem

Neu gewählt werden muss derweil mit dem Wechsel von Wilke in die Landesregierung ein neuer Oberbürgermeister in dessen Heimatstadt. Frankfurt (Oder) habe da jetzt ein ernstes Problem, analysiert der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock. Wilke war bei der Oberbürgermeisterwahl 2018 als gemeinsamer Kandidat der Linken und der Grünen angetreten. Bisher habe Wilke eine zweite Amtszeit nicht ausgeschlossen und Gespräche mit mehreren Parteien geführt, ob sie ihn unterstützen würden, erläutert Rostock. Aus Sicht der Grünen und anderer demokratischer Parteien wäre Wilke ein aussichtsreicher Kandidat gewesen. Sein Rückzug sei eine Zäsur für Frankfurt (Oder), die inhaltlich wie personell eine Lücke hinterlasse.

Linke-Landeschef Sebastian Walter sieht eine Verantwortung von Wilke, in der Stadt an der polnischen Grenze für stabile Verhältnisse zu sorgen.

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