Werbung

Atmosphärisches Gedächtnis: Erinnerung an den Regen

Von der Dürre in Europa bis hin zu Kipppunkten beim Monsun

Ein zurzeit seltener Ausblick in Brandenburg
Ein zurzeit seltener Ausblick in Brandenburg

Dieses Frühjahr ist kein gutes für Menschen die an Klimaangst leiden. Während einige Freund*innen murren, es solle endlich (!) mal warm werden, sehen andere nur den seit Wochen und Monaten staubigen Boden. Immerhin, die Bäume strahlen noch im hellen Frühlingsgrün. Und für diejenigen, denen es zu kalt vorkommt: Ja, laut Deutschem Wetterdienst (DWD) war es in der ersten Maihälfte 0,5 Grad kälter als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Im Vergleich zur Referenzperiode 1961 bis 1990 war es jedoch um fast 0,5 Grad zu warm. So sehr haben wir uns an die Klimaerwärmung gewöhnt, dass diese, zugegeben im Frühjahr angenehmeren Temperaturen normal erscheinen.

Der fehlende Regen allerdings bereitet auch den frierenden Freund*innen Sorge. Den offiziellen Zahlen zufolge droht das Frühjahr 2025 einen Allzeitrekord in Sachen Trockenheit aufzustellen. Von März bis Mitte Mai ist laut DWD mit 58 Millimetern nur rund ein Drittel der üblichen Niederschlagsmenge gefallen. Wenn in den nächsten beiden Wochen nicht ordentlich etwas vom Himmel kommt, wird dieses das trockenste Frühjahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1893. Mag sein, dass das alles noch Wetter ist und nicht das Resultat eines Klimatrends. Bedrohlich wirkt es dennoch. Besonders dann, wenn sich eine bleigraue Wolke nach der anderen über den Himmel schiebt, ohne etwas von ihrer Substanz zur Erde zu schicken. Was, wenn die Wolken einfach vergessen hätten, wie Regen geht, fragt sich die an Klimaangst Leidende, um sich gleich für ihre albernen Gedanken zu schelten. Denn was kein Gedächtnis hat – eine Agglomeration von Wasserdampf – kann auch nichts vergessen. Oder doch?

Anja Katzenberger und Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben in einer aktuellen Studie ein »physikalisches Erinnerungsvermögen« der Atmosphäre ausgemacht, das den Rhythmus des Monsunregens bestimmt. Dieser beginnt normalerweise im Frühjahr und endet im Herbst. Eine gewisse Schwierigkeit scheint darin zu liegen, von einem Wetterzustand in den anderen zu wechseln: »Regnet es bereits, dann erhält sich der Regen von selbst. Ist es aber lange trocken gewesen, dann ist es schwer, den Regen in Gang zu bringen«, schreibt das PIK. Der Wechsel erfolge abrupt, als würde ein Schalter umgelegt. Die Klimaforschenden sprechen hier von einem »bistabilen Verhalten«. Der Kipppunkt des Schalters liege bei 35 Kilogramm Wasserdampf pro Quadratmeter. Soweit sich der Monsun an diesen Kipppunkt erinnert, dürfte es zuverlässig jedes Jahr regnen – und der Regen auch wieder aufhören. Es gibt jedoch Risikofaktoren, die das Erinnerungsvermögen der Atmosphäre stören könnten. Die allgemeine Klimaerwärmung etwa, wegen der die Luft mehr Feuchtigkeit speichert, womit sich der Kipppunkt verschieben könnte – mit noch unbekannten Folgen.

Das »Gedächtnis der Atmosphäre« ist eine schöne Metapher. Und das Gedächtnis der Menschen: Wie war das noch mal mit den Klimazielen?

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.

- Anzeige -
- Anzeige -